Was ist der Unterschied zwischen Pflegestufe und Pflegegrad?

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Inhaltsverzeichnis

Im Zuge der Pflegereform 2017 wurden die bisherigen Pflegestufen durch Pflegegrade ersetzt. Mit den neuen Pflegegraden werden nicht nur körperliche, sondern auch psychische und kognitive Einschränkungen wie beispielsweise Demenz oder psychische Erkrankungen berücksichtigt.

Bei der Ermittlung des Pflegegrades durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) und dessen Gutachter ist nicht mehr die geschätzte Zeitdauer, welche für die Pflege benötigt wird, sondern die Einstufung der Selbstständigkeit des Betroffenen entscheidend.

Was ist ein Pflegegrad?

Die neuen Pflegegrade werden in 5 Einstufungskategorien (Pflegegrad 1-5) unterteilt. Entsprechend der jeweiligen Einstufung erbringt die Pflegekasse bestimmte Pflegesachleistungen und zahlt bestimmte Gelder. Die Einstufung der Pflegebedürftigkeit wurde im Pflegestärkungsgesetz 2 (PSG) neu geregelt. Zur Feststellung des Pflegegrades nimmt ein Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK)  in der gewohnten Umgebung des Pflegebedürftigen eine Prüfung vor. Die noch vorhandene Selbstständigkeit des Betroffenen wird dabei anhand folgender sechs Kriterien überprüft:

  1. Mobilität
  2. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  3. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  4. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
  5. Selbstversorgung
  6. Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen

Im Rahmen der Prüfung kann das neue Begutachtungsassesment bis zu 100 Punkte vergeben. Ab einer Punktzahl von 12,5 werden Pflegebedürftige in den Pflegegrad 1 eingestuft. Bei 90 Punkten wird der höchste Pflegegrad 5 erreicht. Je höher der Pflegegrad, desto höher fallen die Leistungen der Pflegeversicherung aus.

Die 5 Pflegegrade im Überblick

Seit der Pflegereform 2017 wird die Pflegebedürftigkeit anhand folgender fünf Pflegegrade eingestuft:

  • Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (12,5 bis unter 27 Punkte)
  • Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (27 bis unter 47,5 Punkte)
  • Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (47,5 bis unter 70 Punkte)
  • Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (70 bis unter 90 Punkte)
  • Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (ab 90 Punkten)



Praxisbeispiel

Frau Meier, 75 Jahre alt, lebt alleine und hat Schwierigkeiten beim Anziehen und bei der Körperpflege, kann jedoch selbstständig kochen. Bei der Begutachtung durch den MDK erhielt sie 35 Punkte, was einer Einstufung in Pflegegrad 2 entspricht. Somit erhält sie Unterstützung durch einen ambulanten Pflegedienst für die Bereiche, in denen sie Hilfe benötigt.

Die bisherigen Pflegestufen im Vergleich

Anders als bei den heutigen Pflegegraden wurde mit den ehemaligen Pflegestufen ermittelt, ob der Betroffene aufgrund körperlicher Einschränkungen zu bestimmten Mindestzeiten am Tag in den Bereichen Ernährung, Körperpflege oder der Mobilität auf fremde Hilfe angewiesen ist und hauswirtschaftliche Unterstützung sowie Pflege benötigt.

Die Einstufung der körperlichen Hilfe erfolgte anhand der Pflegestufen 1, 2 und 3. Für Menschen mit nachgewiesener, erheblicher und dauerhaft eingeschränkter Alltagskompetenz sowie für Personen, die unter Demenz litten, jedoch keine körperlichen Einschränkungen hatten, gab es darüber hinaus die Pflegestufe bei Demenz. Diese wurde bislang als Pflegestufe 0 bezeichnet.

Was wurde verändert und warum?

Mit Umstellung der Pflegestufen auf Pflegegrade können Pflegebedürftige, die nicht unter eingeschränkter Alltagskompetenz leiden einen einfachen Stufensprung beispielsweise von Pflegestufe 1 auf Pflegegrad 2 vollziehen. Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz haben sogar die Chance, gleich von Pflegestufe 1 auf Pflegegrad 3 eingestuft zu werden. Somit berücksichtigt das neue System auch Menschen mit Demenz. Das neue Punktevergabesystem sorgt für eine genauere Einstufung, die den Bedürfnissen der Betroffenen entspricht. Bei der Ermittlung der Pflegebedürftigkeit werden die Punkte aus den einzelnen Modulen miteinander addiert.

Beim Begutachtungsverfahren ist der größte Unterschied, dass ab 2017 der Grad der Beeinträchtigung durch den Pflegebedürftigkeitsbegriff festgelegt wird und daraus die entsprechende Höhe des Pflegegrads resultiert. Die Einschätzung der benötigten Zeit für die Pflege spielt dagegen kaum noch eine Rolle. Stattdessen beziehen sich die einzelnen Pflegegrade auf die Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen.

Der Hauptgrund für die Umstellung der Pflegestufen auf die heutigen fünf Pflegegrade war die Benachteiligung Demenzkranker gegenüber Pflegebedürftigen mit körperlichen Einschränkungen. Vor dem Jahr 2012 erhielten Pflegebedürftige mit Demenz fast keine Leistungen von den Pflegekassen. Seit 2012 wurden von Seiten des Gesetzgebers schrittweise immer mehr Leistungen für Menschen eingeführt, die unter Demenz, eingeschränkter Alltagskompetenz, einer psychischen Erkrankung oder einer geistigen Behinderung litten.

Doch erst mit dem Pflegestärkungsgesetz und den dadurch entstandenen Pflegegraden erfolgte die völlige Gleichstellung zwischen demenzkranken und körperlich erkrankten Personen in Bezug auf den Leistungsbezug durch die Pflegekasse.

Praxisbeispiel

Herr Müller, 80 Jahre, litt vor der Reform 2017 unter Demenz, benötigte jedoch kaum körperliche Unterstützung. Unter dem alten System erhielt er Pflegestufe 0, da seine geistigen Einschränkungen nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Nach der Reform wurde er auf Pflegegrad 3 eingestuft, da sein Bedarf an Unterstützung aufgrund der Demenz jetzt in vollem Umfang anerkannt wird.

Wo liegen die Unterschiede zwischen Pflegestufe und Pflegegrad?

Die wichtigsten Unterschiede von Pflegestufen und Pflegegraden werden in der folgenden Tabelle gegenübergestellt:

Pflegestufe (bis 2016)Pflegegrad (seit 2017)
Definition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs laut § 14 SGB XI: Pflegebedürftigkeit liegt vor, wenn ein Mensch aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Erkrankung oder Behinderung für die Verrichtung gewöhnlicher und regelmäßig wiederkehrender Aufgaben des täglichen Lebens dauerhaft, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Ausmaß Hilfe benötigt.Definition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs laut § 14 SGB XI: Pflegebedürftigkeit liegt vor, wenn eine Person eine gesundheitlich bedingte Beeinträchtigung der Selbstständigkeit aufweist, und deshalb auf Hilfe anderer angewiesen ist. Die entsprechende Person muss unter einer körperlichen, kognitiven oder psychischen Beeinträchtigung leiden oder gesundheitliche Belastungen und Anforderungen haben, welche die Person nicht selbst bewältigen kann. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer für voraussichtlich mindestens sechs Monate und in mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.
Bewertung anhand folgender Kriterien: Ob und in welcher Stufe ein Pflegebedürftiger eingeordnet werden kann, wird danach bewertet, ob der Betroffene für gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Aufgaben im Alltag wie z.B. Ankleiden, aus dem Bett steigen oder Zähne putzen Hilfe benötigt.Bewertung anhand folgender Kriterien: Bei der Bewertung durch den MDK werden die Selbstständigkeit des Betroffenen und das Ausführen verschiedenen Fähigkeiten überprüft. Hierbei sind die sechs Module Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Probleme, Selbstversorgung, selbstständige Bewältigung krankheits- oder therapiebedingter Anforderungen sowie Alltagsleben und soziale Kontakte Grundlage der Bewertung.
Minutensystem für die Bewertung: Bis 2016 mussten Angehörige Pflegebedürftiger minutengenau nachweisen, wie viel Zeit die Verrichtung der einzelnen Aufgaben, für die der Pflegebedürftige Hilfe benötigt, in Anspruch nahm.Punktesystem für die Bewertung: Seit 2017 wird mithilfe des Neuen Begutachtungsassesments erfragt und mit Punkten bewertet, was der Pflegebedürftige noch allein kann und wobei er Hilfe und Pflege benötigt.

Umstellung von Pflegestufe auf Pflegegrad

Mit der Umstellung von der Pflegestufe auf den Pflegegrad gibt es nicht mehr nur drei Stufen, sondern fünf Grade. Welche Stufe welchem Grad entspricht erfahren Sie in der folgenden Tabelle:

Welche Pflegestufe ist jetzt welcher Pflegegrad?

Was sind die Vor- und Nachteile der Umstellung?

Die Gleichberechtigung von Menschen mit psychischen und körperlichen Leiden ist einer der wichtigsten Vorteile der Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade. Viele weitere Vorteile machen Pflegegrade für Betroffene sehr attraktiv. Doch es gibt auch Nachteile, die mit der Umstellung einhergehen.

Vorteile – Darum sind Pflegegrade sinnvoller als Pflegestufen

  • Durch die veränderten Kriterien bei der MDK-Begutachtung erhalten seit 2017 mehr Betroffene Pflegegeld.
  • Psychische und körperliche Einschränkungen werden in Bezug auf die Bewertung der Selbstständigkeit und bei der Einstufung des Pflegegrads gleichgestellt.
  • Durch die fünfstufige Bedarfseingliederung kann die Alltagskompetenz Betroffener besser berücksichtigt werden.
  • Jeder Bezugsberechtigte wird von einem Pflegeberater beraten.
  • Durch Einführung des Pflegegrades 1 erhalten auch Menschen ohne körperliche Einschränkungen Leistungen von der Pflegekasse.
  • Bei den Pflegegraden 2 bis 5 gibt es einen einheitlichen Eigenanteil, der bei Höherstufung des Pflegegrades nicht ansteigt.

Praxisbeispiel

Ein Beispiel für die Gleichstellung von Menschen mit psychischen und körperlichen Einschränkungen ist Frau Schulz, die an schwerer Depression leidet. Vor 2017 erhielt sie keine Pflegeleistungen, da ihre Einschränkungen hauptsächlich psychisch bedingt waren. Nach der Umstellung wurde sie in Pflegegrad 2 eingestuft und erhält jetzt Pflegegeld, um die notwendige Unterstützung im Alltag zu finanzieren

Nachteile der Pflegereform

  • Mit Umsetzung des Pflegestärkungsgesetztes II ist die Höhe der Beiträge für die Pflegeversicherung gestiegen.
  • Manche Pflegeheimbewohner müssen durch die Vereinheitlichung des Eigenanteils mehr Pflegegeld bezahlen.

Wie beantragt man einen Pflegegrad?

Wer Pflegegeld und Pflegesachleistungen von der Pflegekasse beziehen möchte, muss zunächst einen entsprechenden Antrag stellen. In diesem Kapitel erfahren Sie, wann, wie und wo der Antrag von Betroffenen gestellt werden muss.

Wann sollte der Antrag gestellt werden?

Zwar gibt es manche Fälle, in denen die Pflegebedürftigkeit von einem Tag auf den anderen entsteht, wie es beispielsweise bei einem Unfall oder einem Schlaganfall denkbar ist. In den meisten Fällen entsteht eine Pflegebedürftigkeit jedoch langsam über einen längeren Zeitraum.

Grundsätzlich sollte ein Antrag auf Pflegeleistungen gestellt werden, sobald eine Person im Alltag häufiger Hilfe benötigt. Je früher der Antrag gestellt wird, desto besser. Denn entscheidend für den Leistungsbeginn ist nicht der Eintritt der Pflegebedürftigkeit, sondern das Datum, an dem der Antrag gestellt wurde.

Wo wird der Antrag auf Pflegeleistungen gestellt?

Der Antrag auf Pflegeleistungen muss bei der Pflegekasse der pflegebedürftigen Person gestellt werden. Diese ist grundsätzlich bei der Krankenkasse angesiedelt. Der Antrag kann also einfach an die entsprechende Krankenkasse gesendet werden, sollte dabei jedoch den Hinweis enthalten, dass er an die Pflegekasse weitergeleitet werden soll. Privatversicherte wenden sich bei der Antragsstellung an ihre private Pflegeversicherung.

Wie sollte der Antrag auf Pflegeleistungen gestellt werden?

  1. Der Antrag auf Pflegeleistungen kann sowohl formlos per Telefon, Fax, E-Mail oder per Brief gestellt werden. Bevorzugt sollten Betroffene ihren Antrag jedoch schriftlich per Fax, E-Mail oder Brief einreichen und auf eine Antragsstellung per Telefon verzichten. Denn im Zweifelsfall lässt es sich nur schwer nachweisen, wann der Antrag gestellt wurde.
  2. Im Normalfall sollte der Antrag von der betroffenen Person selbst gestellt werden. Sofern der Betroffene hierzu nicht mehr in der Lage ist, kann ein Betreuer oder Bevollmächtigter diese Aufgabe übernehmen. In diesem Fall muss zusätzlich zum Antrag der Betreuerausweis oder eine Kopie der Vollmacht beigelegt werden.
  3. Nachdem der Antrag bei der Pflegekasse eingegangen ist, erhalten Betroffene ein Formular für die Beantragung der Leistungen per Post zugeschickt. Hier müssen Angaben zu persönlichen Daten sowie zu den Leistungen, die beantragt werden sollen, gemacht werden. Welche Leistungen benötigt werden, hängt davon ab, ob der Pflegebedürftige zuhause durch Angehörige, einen ambulanten Pflegedienst oder aber in einer stationären Einrichtung versorgt werden soll.

Mehr Leistungen durch Pflegegrade

Mit der Pflegereform 2017 wurden die alten Pflegestufen durch Pflegegrade ersetzt. Neben der Definition eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs wurde eine neue Begutachtungssystematik eingeführt.

Die neuen Pflegegrade berücksichtigen nicht nur körperliche Einschränkungen der Betroffenen, sondern auch psychische und kognitive Einschränkungen wie beispielsweise Demenz. Anders als beim bisherigen Begutachtungsverfahren, bei dem die geschätzte Zeit für die Pflege über die Höhe des Pflegegrads entschieden hat, wird seit 2017 der Grad der Selbstständigkeit als Maßstab für die Höhe des Pflegegrads herangezogen.

Der Antrag auf Pflegegeld und Pflegesachleistungen sollte möglichst früh gestellt werden. Für den Leistungsbeginn zählt nämlich nicht der Zeitpunkt des Eintritts der Pflegebedürftigkeit, sondern das Datum, an dem der Antrag gestellt wurde. Dies kann formlos per Telefon, Fax, E-Mail oder per Brief erfolgen.

FAQs: Pflegegrad und Pflegeleistung

Wie oft wird der Pflegegrad überprüft?

Die Pflegekasse kann regelmäßige Überprüfungen veranlassen, insbesondere wenn sich der Gesundheitszustand ändert. Bei Verbesserung oder Verschlechterung der Situation kann der Pflegegrad angepasst werden. Ein Beispiel: Frau Berger, die nach einem Schlaganfall in Pflegegrad 3 eingestuft wurde, konnte durch Rehabilitationsmaßnahmen teilweise ihre Mobilität zurückgewinnen und wurde daraufhin in Pflegegrad 2 zurückgestuft.

Können Angehörige den Antrag für Pflegeleistungen stellen?

Ja, Angehörige können den Antrag stellvertretend übernehmen, wenn der Pflegebedürftige nicht dazu in der Lage ist. Ein Nachweis wie eine Vollmacht oder ein Betreuerausweis muss der Pflegekasse vorgelegt werden. Zum Beispiel stellte Herr Maier, der die Betreuung seiner demenzkranken Mutter übernommen hat, den Antrag auf Pflegeleistungen mit einer notariellen Vollmacht.

Was passiert, wenn der Pflegegrad abgelehnt wird?

Wenn der Antrag abgelehnt wird, haben Sie das Recht, Widerspruch einzulegen. Der Widerspruch sollte schriftlich bei der Pflegekasse eingereicht werden. Ein erneutes Gutachten kann veranlasst werden. Beispiel: Frau Stein erhielt zunächst keine Einstufung, weil ihre psychischen Einschränkungen nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Nach einem erfolgreichen Widerspruch wurde sie in Pflegegrad 2 eingestuft.