- Gibt es einen Unterschied bei der Biografiearbeit zwischen ambulanter und stationärer Pflege?
- So strukturieren Sie die Biografiearbeit: 5 Tipps zur effektiven Umsetzung
- Welche Aspekte sind bei der Biografiearbeit relevant?
- Muster: Der lebensgeschichtliche Fragebogen
- Einfühlungsvermögen: Grundstein für gute Biografiearbeit
- Biografiearbeit bei Demenzerkrankung
- Die Biografiekarte: Wie macht man biografische Daten erlebbar?
- Wie gewinnt man Angehörige als Partner für die Biografiearbeit?
- Biografiearbeit im Zusammenhang mit dem MDK und SIS
- Selbst-Test: Gestalten Sie den Alltag Ihres Pflegekunden biografisch?
- Fazit zur Biografiearbeit mit Senioren
Welche Erlebnisse haben den 92-jährigen Herrn Kramer, aus seiner Vergangenheit, aus Ihrer Einrichtung geprägt? Welche Schicksalsschläge musste Ihre 90-jährige ambulante Pflegekundin Frau Kowski überstehen? Im Mittelpunkt der Biografiearbeit steht das Wissen um die individuellen Lebensgeschichten Ihrer Pflegekunden. Das biografische Wissen soll Ihnen dabei helfen, Ihre Pflegekunden in ihrer Einzigartigkeit zu verstehen und damit zu einer besseren und wertschätzenden Pflege beizutragen.
Gibt es einen Unterschied bei der Biografiearbeit zwischen ambulanter und stationärer Pflege?
Ob Sie gegenwärtig in der ambulanten Pflege oder in einer stationären Einrichtung tätig sind, spielt bei der Biografiearbeit nur eine untergeordnete Rolle und macht im Grunde keinen Unterschied. Für die ambulante Pflege und Betreuung ist es allerdings manchmal einfacher, im gewohnten häuslichen Umfeld des Betroffenen etwas über die Lebensgeschichte oder andere persönliche Dinge zu erfahren. Nutzen Sie diesen Vorteil.
Individuelle Informationen sind wichtig
Dabei reicht es nicht aus, dass Sie Angehörige lediglich bitten, einen Biografiebogen auszufüllen. Dieser greift nämlich häufig viel zu kurz. Selbstverständlich können Sie mit einem Biografiebogen viele durchaus relevante Daten erfassen, die auch für Ihre spätere Pflege und Betreuung nützlich sind. Zum Beispiel: War Ihr Gegenüber verheiratet? Welchen Beruf hat er ausgeübt?
Aber andere, für den täglichen Alltag vielleicht wesentlich interessantere Fragen, werden hier nur selten dokumentiert:
Ist der Mensch mit Demenz immer mit dem rechten oder linken Bein aus dem Bett gestiegen? |
Hat er morgens vor dem Toilettengang einen Kaffee getrunken? |
Hat er sich mit einem Kamm oder einer Bürste gekämmt? |
Hat er vor dem Schlafengehen immer noch ein Stückchen Schokolade genascht? |
Hat er ein besonderes Aftershave oder Parfüm benutzt? |
Biografiearbeit erfordert explizites Nachfragen bei den Angehörigen
Haben Sie zudem im Blick, dass Informationen, die Sie ausschließlich von Angehörigen oder anderen Personen bekommen, immer deren subjektive Sichtweise darstellen. Vieles, was die Befragten in Bezug auf den Erkrankten wichtig und erwähnenswert finden, spielte vielleicht für den Betroffenen selbst nur eine untergeordnete Rolle. Fragen Sie deshalb bei manchen Dingen ganz explizit nach einer Reflexion. Zum Beispiel nach dem Charakter des Erkrankten, nach seinen Marotten oder Gewohnheiten, Vorlieben oder nach Schicksalsschlägen.
Nehmen Sie Ihre gesammelten Informationen immer als einen ersten Baustein und finden Sie gemeinsam mit dem Menschen mit Demenz, durch eine Selbstreflexion heraus, welche Prioritäten er persönlich in seinem Leben gesetzt hat.
Die wichtigsten Ziele der Biografiearbeit
- Durch ausführliche Erfassung und Fortschreibung der Biografie können Sie die Wünsche und Bedürfnisse Ihrer Betreuten in Zukunft besser verstehen.
- Biografiearbeit verbessert die Beziehung zwischen Erkrankten, Angehörigen und den Pflege- und Betreuungspersonen.
- Das Kennen der persönlichen Lebensgeschichte und der Vergangenheit Ihres zu Pflegenden hilft Ihnen, den Erkrankten ganzheitlich wahrzunehmen und ein vielschichtiges Bild von ihm zu bekommen.
- Die Identität, das Selbstbild und -vertrauen des Betroffenen werden gestärkt.
- Das Wissen um die Biografie des Gegenübers erleichtert den Aufbau von Vertrauen, Sicherheit und Geborgenheit.
- Die Kommunikation wird auf allen Ebenen durch das Wissen um die Lebenserfahrungen des Gegenübers erleichtert.
- Sie erfahren von Ressourcen oder Restriktionen, die Ihnen bei der Auswahl von Aktivitäten oder Beschäftigungen hilfreich sein können
Vorteile der Biografiearbeit für Pflegekräfte
Die Vorteile der Biografiearbeit für Sie als Pflege- und Betreuungskraft liegen ebenfalls auf der Hand. Sie lernen den Erkrankten besser kennen, können Stärken, Schwächen und Verhaltensweisen besser einschätzen. Eventuell eröffnen sich dadurch ganz neue Methoden und Perspektiven, und die Beziehung zu dem Gepflegten entwickelt sich positiv, langfristig und vielfältig.
Zudem können Sie evtl. etwas aus den Erfahrungen des Erkrankten für sich persönlich mitnehmen, Ihre eigene Kreativität erweitern oder sogar einen bewussteren Umgang mit Ihrer eigenen Biografie erleben.
8 Schritte für die erfolgreiche Umsetzung der Biografiearbeit
1. Schritt: | Nehmen Sie sich für die Erhebung der Biografie Zeit. Auch der Erhebungsbogen muss nicht sofort komplett ausgefüllt sein. Manches erfährt man erst nach und nach. |
2. Schritt: | Nutzen Sie die Gespräche, Verhaltensweisen und Erlebnisse mit dem Erkrankten, um seine Biografie besser zu verstehen, und dokumentieren Sie Ihre Erkenntnisse. Bei besonders tragischen Ereignissen fragen Sie den Betreuer, inwieweit Sie diese in der Dokumentation offenlegen dürfen. |
3. Schritt: | Befragen Sie die Freunde und Angehörigen, und beziehen Sie diese auf diese Weise gleichzeitig mit in die Betreuung und Pflege ein. |
4. Schritt: | Machen Sie Ihr dokumentiertes Wissen allen an der Betreuung und Pflege Beteiligten zugänglich (z.B. in der Akte des Patienten oder in Fallgesprächen). |
5. Schritt: | Halten Sie Ihre Biografie-Aufzeichnungen aktuell. |
6. Schritt: | Achten Sie darauf, dass Ihre Mitarbeiter oder KollegInnen die biografischen Daten ihrer Patienten kennen und entsprechend berücksichtigen. |
7. Schritt | Berücksichtigen Sie das gewonnene Wissen aus der Biografiearbeit bei der Pflegeplanung. |
8. Schritt: | Beachten Sie insbesondere bei biografischen Angaben den Datenschutz. Greifen Sie nicht ungefragt vor anderen, z. B. in Zeitungsrunden, auf biografisches Wissen zurück. |
Binden Sie Ihre Vorgesetzten in die Biografiearbeit ein
Würden Sie die gegenwärtige Biografiearbeit in Ihrer Einrichtung als qualitativ hochwertig und effektiv einschätzen? Wenn es hier noch Verbesserungspotential gibt, sollten Sie Ihren Vorgesetzen darauf ansprechen.
Wenn es Ihnen gelingt, Ihren Vorgesetzen zu überzeugen, die Biografiearbeit anhand der folgenden 5 Tipps zu strukturieren, wird sie qualitativ hochwertiger und effektiver werden.
So strukturieren Sie die Biografiearbeit: 5 Tipps zur effektiven Umsetzung
1. Legen Sie im Team einen Verantwortlichen fest | Überlegen Sie im Team zusammen, wer dafür am besten geeignet ist. Es sollte ein Kollege sein, der über viel Einfühlungsvermögen verfügt und dem es allgemein gut gelingt, „einen Draht“ zu Ihren Pflegekunden aufzubauen. Die Biografiearbeit sollte Ihr Verantwortlicher gerne übernehmen. Wenn Sie einen geeigneten Kollegen für die Biografiearbeit gefunden haben, überlegen Sie zusammen: Wann wäre der geeignete Zeitraum, um sich mit einem neuen Pflegekunden zusammenzusetzen? |
2. Definieren Sie einen sinnvollen Zeitraum | Empfehlenswert ist es, Ihren Biografiebogen in 2 Teile aufzusplitten. Außerdem sollten Sie das 1. Biografiegespräch frühestens 4 Wochen nach Neueinzug zu terminieren. Geben Sie Ihrem neuen Pflegekunden Zeit, sich erst einmal einzuleben. Nach 4 Wochen können Sie oder der verantwortliche Mitarbeiter dann ein 1. Gespräch terminieren; nach weiteren 4 Wochen ein 2. Teil 1, der weniger sensible Angaben enthalten sollte, können Sie nach den ersten 4 Wochen besprechen. Teil 2, der mehr in die Tiefe geht, sollten Sie erst 8 Wochen nach Neueinzug erfragen. Im Laufe von 2 Monaten hat sich oft schon etwas wie eine Vertrauensbasis gebildet, sodass es Ihrem verantwortlichen Mitarbeiter leichter fallen wird, sensible Angaben zu erfragen. Ihrem neuen Pflegekunden wird es im Gegenzug einfacher fallen zu antworten. |
3. Beachten Sie die äußere Form | Wird ein persönliches Gespräch zielführend sein? Oder haben Sie den Eindruck, Ihr neuer Pflegekunde ist eher introvertiert und es würde ihm vielleicht leichter fallen, die beiden Bögen allein und schriftlich auszufüllen? Haben Sie mit im Blick, dass Ihr verantwortlicher Kollege die Form wählt, die für Ihren Pflegekunden die angenehmste ist. Ist es aufgrund seines Krankheitsbildes nötig, dass Angehörige oder sonstige enge Bezugspersonen beim Biografiegespräch anwesend sind? Stellen Sie Ihrem verantwortlichen Kollegen einen ruhigen Raum zur Verfügung. Auch eine ausreichende Zeitkapazität ist sinnvoll. Solche Gespräche kann man nicht sinnvoll unter Zeitdruck führen. |
4. Führen Sie ein Fallgespräch im Team durch | Damit alle Kollegen auf einem gleichen Wissensstand sind, ist es sinnvoll, ein Fallgespräch zu neuen Pflegekunden nach den ersten 4 Wochen zu terminieren. Der verantwortliche Kollege hat zu diesem Zeitpunkt den Biografiebogen Teil 1 bereits erhoben. Alle übrigen Kollegen haben den Pflegekunden auch schon über einen gewissen Zeitraum kennengelernt. Im Fallgespräch können Sie dann alles an Wissen über seine Diagnosen, seine Medikamente, seine Versorgung und seine Biografie zusammentragen. Dafür empfiehlt sich einen Zeitraum von 1 Stunde einzuplanen. Außerdem können Sie das Forum nutzen, um entsprechende Ergänzungen in der Dokumentation des Pflegekunden vorzunehmen. Oft bekommt jeder versorgende Kollege kleine Informationen nebenbei, die sich aus spontanen Gesprächen ergeben. |
5. Weitere Verwendung der erhobenen Daten | Getrimmt durch den MDK, machen mittlerweile sehr viele Einrichtungen eine ausführliche Biografiearbeit. Die Biografiearbeit darf allerdings nicht zum Selbstzweck verkommen, bei dem es nur darum geht, eine Menge Daten zu sammeln. Im Fokus sollte folgende Frage stehen: Wie kann es uns gelingen, die gesammelten Daten im Alltag weiterzuverwenden? Betrachten Sie im Team und in der Einrichtung Ihre internen Strukturen. Welche anderen Berufsgruppen außer der Pflege sind noch an der Versorgung des Pflegekunden beteiligt? Ist ein Pflegekunde beispielsweise trockener Alkoholiker, sollte dies bei der Nahrungszubereitung in der hauseigenen Küche beachtet werden. Es gibt kein Patentrezept für die Informationsweitergabe, das auf alle stationären und ambulanten Einrichtungen gleichermaßen anwendbar wäre. Sie und Ihr Team sollten sich daher überlegen, was genau für Ihre Einrichtung in Bezug auf eine sinnvolle Informationsweiterleitung angebracht wäre. Denken Sie hierbei auch an die Regelungen des Datenschutzes. |
Welche Aspekte sind bei der Biografiearbeit relevant?
Die Generation, die Sie in Ihrer Einrichtung begleiten, ist gerade durch die Kriegszeiten sehr geprägt worden. Dazu kommen familiäre Verluste, bedrohliche Erkrankungen oder Lebensereignisse, die nachhaltige Auswirkungen auf das weitere Leben gehabt haben.
Mit biografischen Besonderheiten ist ein tiefes emotionales Erleben verbunden, welches Ihrer sensiblen und achtsamen Begleitung bedarf. Je mehr eine vertrauensvolle Basis zwischen Ihrem Bewohner und Ihnen entstanden ist, desto häufiger werden auch diese Informationen zur Sprache kommen. Ergänzen Sie entsprechende Informationen und Hinweise im Biografiebogen, um so eine würdigende Begleitung Ihres Bewohners zu ermöglichen.
Die Person und ihre Lebensgeschichte im Mittelpunkt der Biografiearbeit | Üblicherweise werden in den meisten Einrichtungen im Rahmen der Biografiearbeit die Lebensdaten des zu Pflegenden erfragt und dokumentiert. Allerdings ist durch das alleinige Sammeln von Daten überhaupt nicht klar, welche Bedeutungen diese Daten und Informationen für den Betroffenen haben und ob diese dann pflege- und betreuungsrelevant für ihn sind. |
Personenzentrierter Ansatz nach Tom Kitwood
Mit seinem personenzentrierten Ansatz hat der Demenzexperte Tom Kitwood die Wünsche und Bedürfnisse eines zu Pflegenden in den Mittelpunkt der Betreuungsarbeit gestellt. Hierbei geht es nicht um das bloße Faktensammeln, sondern um die individuellen Bedeutungen, die mit diesen Daten verbunden sind.
Zum Beispiel hat die Information zum ausgeübten Beruf des Pflegekunden nur einen geringen Aussagewert, wenn nicht auch bekannt ist, ob er diese Tätigkeit gern ausgeübt hat.
Zudem wird versucht, das Wesen – also die Persönlichkeit – des zu Pflegenden zu erfassen. Hierbei lautet die Devise: Hol den Menschen da ab, wo er stark ist!
Haben Sie im Gespräch dann pflege- und betreuungsrelevante Informationen erhalten, müssen Sie diese in die Pflegeplanung überführen. Dabei geht es nicht um die exakten Inhalte der Anekdoten und Erzählungen, sondern um die handlungsrelevanten Ableitungen.
Muster: Der lebensgeschichtliche Fragebogen
Die folgenden Fragen sollten nicht einfach nur „abgearbeitet“ werden. Versuchen Sie, hierüber ein Gespräch mit Ihrem Pflegekunden zu führen. Überführen Sie diese Fragen in Ihre Biografiearbeit, indem Sie die wesentlichen persönlichen Eigenschaften des Betroffenen aufschreiben. Um die Autonomie des zu Pflegenden so lange wie möglich zu erhalten, ist ebenso wichtig, dass Sie ihn bitten, die erhobenen Informationen in die Dokumentation überführen zu dürfen.
Was sind Ihre persönlichen Stärken? |
Was sind Ihre empfindlichen Seiten? |
Wie gehen Sie mit Krisen und schwierigen Situationen um? |
Worauf sind Sie stolz in Ihrem Leben? |
Über welche Themen unterhalten Sie sich gern? |
Warum sind diese Themen wichtig für Sie? |
Woran erinnern Sie sich gern, wenn Sie an Ihre Kindheit und Jugend denken? |
Welche prägenden Erinnerungen haben Sie an eine Einrichtung (z. B. Krankenhaus, Heim, Schule, Kindergarten, Kinderlandverschickung etc.)? |
9 wesentliche Aspekte für Ihre fachkompetente Biografie-Erhebung
1. Berufliche Identität | Dazu gehören der erlernte Beruf und die damit verbundenen Erfahrungen. Wichtig im Hinblick auf das Erleben ist auch die Frage, ob dies dem Wunschberuf entsprach. Die Frage nach Wunschberufen ermöglicht Ihnen, die dahinterliegenden Interessen und auch Sehnsüchte Ihrer Bewohner würdigend aufgreifen zu können. |
2. Lebensleistung | Gibt es etwas, worauf Ihr Bewohner stolz ist? Mit dem Stolz auf etwas und der darin enthaltenen Lebensleistung verbinden viele Ihrer Bewohner ihre Sinnhaftigkeit im Leben. |
3. Persönliche Normen und Werte | Darunter fallen die persönlichen Moral- und Wertvorstellungen darüber, was sich gehört und was nicht. Vielen ist etwa Verlässlichkeit sehr wichtig, da es in Kriegszeiten überlebenswichtig war, sich aufeinander verlassen zu können. Hinzu kommen zeitgeschichtliche Prägungen. |
4. Besondere Interessen und Vorlieben | Dazu gehören Hobbys oder ein besonderes Engagement. Die frühere Zugehörigkeit zu Vereinen könnte hier Hinweise auf mögliche soziale Kontakte außerhalb der Einrichtung geben. Auch Vorlieben hinsichtlich Musik, Kleidung oder Essen sind wichtige Informationen. |
5. Persönliche Rituale und Gewohnheiten | Persönliche Rituale entwickelt jeder im Laufe seines Lebens. Sie ausleben zu können trägt wesentlich zum Wohlempfinden bei. Fragen Sie daher Ihre Bewohner nach solchen individuellen Ritualen etwa beim morgendlichen Aufstehen, Zubettgehen oder bei den Mahlzeiten. Nutzen Sie auch Ihre Beobachtungen bei Hausbesuchen zur Heimaufnahme, etwa die Art der Gestaltung eines Lieblingsplatzes in der Wohnung oder die individuelle Gestaltung des bisherigen Essplatzes mit vertrautem Tischset oder der Lieblingstasse. |
6. Geistige und seelische Bedürfnisse und Wünsche | Hier spiegelt sich vielfach wider, in welcher Form und mit welchen Inhalten soziale Kontakte bis zum Einzug ins Altenheim gelebt wurden. Klären Sie hierzu auch persönliche Wünsche Ihres Bewohners im Hinblick auf den Heimalltag, die Teilnahme an Angeboten und inhaltlichen Wünschen ab. |
7. Die Bedeutung der Religion | Fragen Sie Ihren Bewohner nach der Bedeutung der Religion in seinem Leben und wie er für sich etwa den Besuch der Gottesdienste oder die Teilnahme am Gemeindeleben gestaltet hat. Klären Sie auch zukünftige Wünsche bei evtl. Bettlägerigkeit in Bezug auf die Kommunion oder Krankensalbung ab. |
8. Informationen über sinnliche Vorlieben | Je mehr Sie von Ihrem Bewohner über seine sinnlichen Vorlieben wissen, desto unterstützender können Sie gezielte Sinnesbrücken einsetzen, gerade auch in angstauslösenden Situationen. Das können bestimmte Düfte, taktile oder auditive Angebote sein, mit denen Ihr Bewohner Wohltuendes, Beruhigendes oder Mutmachendes in seiner Lebensgeschichte verbindet. |
9. Ergänzung: biografische Besonderheiten | Nicht alle Ereignisse aus der Lebensgeschichte Ihrer Bewohner lassen sich in „Rubriken“ einteilen. Daher nutzen Sie diese ergänzende Spalte für individuelle Besonderheiten Ihres Bewohners, die wichtige Hinweise für Ihre Alltagsbegleitung enthalten. |
Einfühlungsvermögen: Grundstein für gute Biografiearbeit
Haben Sie sich schon einmal gefragt, welche Werte für Ihre Pflegekunden besonders wichtig sind? Für viele von ihnen spielen Verantwortungsgefühl, Pünktlichkeit, Fleiß, Pflichterfüllung, Disziplin, Gewissenhaftigkeit, Ordnung, Anstand und Religiosität eine wichtige Rolle. Entsprechend erwarten Ihre Pflegekunden auch von Ihnen, dass Sie diese Werte im Umgang mit ihnen er füllen.
Dies bedeutet für Sie, dass Sie die Prägung und Werte Ihrer Pflegekunden ansatzweise kennen sollten. Ansonsten verärgern Sie Ihre Pflegekunden möglicherweise, ohne es überhaupt zu bemerken. Außerdem gelingt es Ihnen hierdurch besser, ihre Ansichten und Gewohnheiten besser zu verstehen.
Biografiearbeit bedeutet Zuhören
Möglicherweise haben Sie das Gefühl, für lange Gespräche mit Ihren Pflegekunden keine Zeit zu haben. Doch nicht die Länge des Gespräches ist wichtig. Entscheidender ist, dass Sie sich in der Zeit, die Ihnen zur Verfügung steht, ganz auf den Pflegekunden konzentrieren und genau zuhören. Je besser das gelingt, desto mehr Verständnis können Sie für die individuelle Persönlichkeit entwickeln.
Werte beeinflussen das Selbstbewusstsein
Viele der heute älteren Frauen haben einen Großteil ihrer Zeit aber damit verbracht, ihre Kleidung und die ihrer Familie in Ordnung zu halten. Dazu gehörten das ständige Ausbessern und Flicken der Kleidung. Denn ein ordentliches Erscheinungsbild war ein absolutes Muss und hat daher für viele Ihrer Pflegekunden bis heute einen sehr hohen Stellenwert. Doch oft haben ältere Menschen niemanden, der ihre Kleidung in Ordnung hält oder unbrauchbare Teile austauscht.
Dieser Umstand hat direkte Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl Ihres Pflegekunden, der – was sein Äußeres betrifft – seinen eigenen Ansprüchen nicht mehr genügt. Sie können hier konkret Abhilfe schaffen, indem Sie Ihrem Pflegekunden nur Kleidung anziehen, die alle Knöpfe hat und nicht löchrig ist. Vermitteln Sie ggf. Hilfen, die sich um das Ausbessern der Kleidung kümmern.
Beispiel für die unterschiedliche Prägung Ihrer Pflegekunden
Die Altersbandbreite Ihrer Pflegekunden umfasst vermutlich eine Spanne von etwa 30 Jahren oder mehr. Gleichzeitig hat es im letzten Jahrhundert zahlreiche technische und geschichtliche Veränderungen gegeben, die das Leben bahnbrechend geprägt haben.
Die Folge ist, dass Sie mit völlig unterschiedlichen Generationen umgehen und deren Werte individuell berücksichtigen müssen. In der folgenden Übersicht finden Sie Beispiele dafür, wie sich das Geburtsjahr möglicherweise auf die Biografie Ihrer Pflegekunden ausgewirkt hat.
Geburtsjahr 1913 | Eine heute 101-Jährige war 1933 schon 20 Jahre alt. Je nachdem, wo und in welcher gesellschaftlichen Schicht sie groß geworden ist, wurde sie von unterschiedlichen Werten geprägt. In bürgerlichen Familien war die Eheschließung als äußere Form der Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau ein unbedingtes Muss, in Arbeiterfamilien gab es auch damals viele Lebensgemeinschaften ohne Trauschein. |
Geburtsjahr 1928 | Ein heute 86-Jähriger war 1933 erst 5 Jahre alt. Er wurde vermutlich zunächst sehr durch die Propaganda des Nationalsozialismus geprägt. Bei Kriegsende 1945 war er 18 Jahre alt und gezwungen, sein Weltbild zumindest äußerlich völlig zu verändern. |
Geburtsjahr 1936 | Eine heute 78-Jährige war 1946 10 Jahre alt und wurde vermutlich einen Großteil ihrer Kindheit von Hunger geplagt. Je nach Wohnort hat sie als Kind zahlreiche Bombenangriffe und die damit verbundene Angst erlebt. |
Geburtsjahr 1944 | Ein heute 70-Jähriger war in den Jahren 1968–1972 zwischen 25 und 30 Jahre alt und hat sich auf die eine oder andere Weise mit Themen wie antiautoritäre Erziehung, politischer Widerstand und Rebellion gegen die herrschende Moralvorstellung auseinandergesetzt. |
Biografiearbeit bedeutet Vertrauensarbeit: Empfehlungen zum sensiblen Umgang mit Pflegekunden
Sicher haben Sie auch schon erlebt, dass Ihnen Pflegekunden unter dem Siegel der Verschwiegenheit Dinge aus ihrer Vergangenheit anvertraut haben. Problematisch wird es für Sie, wenn es sich eigentlich um pflegerelevante Informationen handelt.
Sie als professionelle Pflegekraft stellt eine solche Situation vor einen Interessenkonflikt, wie Sie nun mit diesem Wissen umgehen sollen. Die folgenden Empfehlungen zum sensiblen Umgang mit Pflegekunden während der Biografiearbeit können Ihnen hierbei als Richtschnur dienen.
1. Informieren Sie über den Sinn und Zweck der Biografiearbeit | Bevor Sie mit der Biografiearbeit beginnen, sollten Sie Ihren Pflegekunden oder vertretungsweise seine Angehörigen immer um deren Zustimmung bitten. Erläutern Sie dabei, welche Daten Sie erheben möchten und warum. Teilen Sie dem Betroffenen mit, wo die Daten niedergeschrieben oder gespeichert werden und welcher Personenkreis Zugriff auf diese Informationen hat. Informieren Sie den Betroffenen auch darüber, dass er durchaus das Recht hat, eine Biografiearbeit abzulehnen, wenn er diese persönlichen Dinge nicht preisgeben möchte – aber auch, welche Nachteile dies hätte. Bauen Sie jedoch keinen Druck auf. |
2. Überlegen Sie genau, welche Daten Sie tatsächlich benötigen | Nicht alle Daten, die heutzutage im Rahmen der Biografiearbeit erhoben werden, sind für die aktuelle Pflegesituation tatsächlich auch von Nutzen. Überlegen Sie daher im Vorfeld, welche Daten Sie tatsächlich benötigen, um die gegenwärtige Pflegesituation individuell bewältigen zu können. |
3. Auf die richtige Wortwahl kommt es an | Immer wieder werden Sie erleben, dass Ihnen Bewohner Erlebnisse anvertrauen, die manchmal noch nicht einmal Familienangehörige kennen. Solche Informationen sind ein großer Vertrauensbeweis Ihnen gegenüber. An Ihnen liegt es nun, dieses Vertrauen auch zu würdigen. Daher sollten Sie sich immer genau überlegen, in welcher Form Sie diese vertraulichen Angaben an Ihre Kollegen weitergeben. So muss z. B. die Vergewaltigung einer Ihrer Pflegekunden in den Kriegstagen nicht als solche tatsächlich benannt werden. In einem solchen Fall kann es beispielsweise sinnvoll sein, in die Biografie und somit auch in die Pflegeplanung aufzunehmen, dass es aufgrund eines traumatischen Erlebnisses während des Krieges zu Abwehrverhalten bei der Intimpflege kommen kann. So können Sie wichtige Informationen weitergeben, ohne das Vertrauen Ihres Pflegekunden Ihnen gegenüber zu verletzen. |
4. Die Biografie ist mehr als die Summe von Informationen | Wenn Sie die Biografie Ihres Pflegekunden erheben, dann ist dies durchaus mehr als die reine Sammlung von Daten, Fakten und Informationen. Sie erheben das Leben und die Vergangenheit eines Menschen mit all seinen Vorlieben, Abneigungen, wichtigen Erlebnissen und auch Entscheidungen. Machen Sie sich also bewusst, dass Sie im Rahmen der Biografiearbeit tief in die Privatsphäre Ihres Pflegekunden eindringen. Wenn Sie sich dies vor Augen halten, dann werden Sie ganz von selbst intuitiv, einfühlsam und auch sensibel mit den Ihnen anvertrauten Informationen umgehen. |
5. Besprechen Sie mit Ihrem Pflegekunden, welche Informationen Sie weitergeben dürfen | Um Missverständnissen und einem Vertrauensbruch entgegenzuwirken, sollten Sie mit dem Betroffenen oder seinen Angehörigen genau besprechen, welche Informationen zu Papier gebracht und an das Team weitergeleitet werden dürfen. An diese Absprache sollten Sie sich auch zukünftig halten. Stellt sich im Laufe des Pflegeprozesses heraus, dass für die Pflege wichtiges Wissen „unter Verschluss“ gehalten wurde, sollten Sie sich vor dessen Weitergabe auf jeden Fall die Erlaubnis des Betroffenen bzw. seiner Angehörigen einholen. Erläutern Sie dabei die veränderten Verhältnisse und warum diese Daten nun für die Pflege wesentlich sind. |
Biografiearbeit bei Demenzerkrankung
Welche Relevanz die Biografiearbeit – insbesondere für Demenzerkrankte – hat, zeigt folgendes Beispiel aus der stationären Pflege:
Biografiearbeit ist bei Menschen mit Demenz besonders wichtig
Herr Kramer steht morgens um 4.00 Uhr wieder einmal putzmunter im Flur und kann nicht mehr schlafen. Wie häufig ist er komplett bekleidet – wenn auch etwas unorthodox – und irrt auf dem Flur umher. „Ich muss jetzt los, bevor ich zu spät komme“, wiederholt er immer wieder und wieder. Die Kollegin von der Nachtwache ist mittlerweile sichtlich genervt und versucht, ihn wieder in sein Zimmer und in das Bett zu bekommen, da er ja auch andere Bewohner wecken könnte. Dieses Szenario spielt sich seit vielen Wochen im immer gleichen Muster ab. Das ganze Team rätselt: Warum will oder kann Hr. Kramer nicht schlafen, und warum steht er immer so früh auf? Nach einem Blick in seine Biografie ist die Antwort schnell gefunden. Herr Kramer war sein gesamtes Berufsleben hindurch als Bäcker und Konditor tätig: 4.00 Uhr ist zeit seines Lebens seine ganz normale Arbeitszeit gewesen. Er verhält sich folglich in seiner Eigenwahrnehmung völlig logisch. In seiner von ihm z. Z. gefühlten Zeit ist er ein junger Mann, der rechtzeitig zur Arbeit kommen muss, um nicht rausgeschmissen zu werden und um pflichtbewusst Lohn und Brot zu verdienen. Was liegt also näher, als pünktlich aufzustehen?
Jeder Mensch mit Demenz hat seine ganz eigene persönliche Lebensgeschichte, die keiner anderen Person gleicht. Seine Erlebnisse und Erfahrungen haben den Erkrankten während seines langen Lebens geprägt und bestimmen noch immer seine Gewohnheiten, Vorlieben, Abneigungen und Verhaltensweisen.
Nur wenn Sie als Betreuungs- und Pflegekraft darum wissen und diese Lebensgeschichte kennen, können Sie angemessen mit bestimmten Situationen umgehen. Schwierige oder herausfordernde Verhaltensweisen entstehen durch das Wissen der Biografie und eine entsprechende Umsetzung dann schon im Vorfeld immer seltener.
Erinnerungsarbeit mit Demenzerkrankten: Wie gelingt sie?
Menschen mit Demenz können am Anfang der Erkrankung die Biografiearbeit von sich aus gestalten. Schreitet die Erkrankung voran, brauchen die Erkrankten Ihre Hilfe, um sich zu erinnern. Daher wird die Biografiearbeit mit Menschen mit Demenz im mittleren und fortgeschrittenen Stadium als Erinnerungspflege umgesetzt. Dies bedeutet, dass die Lebensrückschau von außen, also auch durch Sie, unterstützt und angeleitet wird.
Eine kritische Bewertung und Beleuchtung von persönlichen Schwächen oder möglichem Fehlverhalten im Laufe des Lebens werden von außen nicht vorgenommen. Erinnerungsarbeit hat keinen psychotherapeutischen Ansatz. Die Fähigkeit für eine Aufarbeitung von unbewältigten Lebensthemen geht mit dem Fortschreiten der Demenz immer mehr verloren. Die direkte Konfrontation damit beschämt oder verletzt nur. Verschaffen Sie dem Menschen mit Demenz wertschätzende Momente aus seinem Lebenspuzzle.
So nehmen Sie Demenzerkrankten die Angst: 6 Praxistipps
1. Tipp: Zeigen Sie Verständnis durch aktives Zuhören. |
2. Tipp: Stellen Sie zuerst eine Beziehung her (gehen Sie auf Augenhöhe, halten Sie Blickkontakt), melden Sie zurück, was Sie verstanden haben und verbalisieren Sie die Gefühle des Erkrankten. Probieren Sie auch aus, ob eine Berührung (z. B. an der Hand, am Arm) als angenehm und beruhigend empfunden wird. |
3. Tipp: Beruhigen Sie den Erkrankten und vermitteln Sie Sicherheit, sagen Sie z. B.: „Gut, dass wir heute in Sicherheit leben.“ |
4. Tipp: Daraus können sich weitere Gesprächsthemen ergeben, die den Erkrankten weiter beruhigen und auch ablenken können. |
5. Tipp: Machen Sie sich auf die Suche nach möglichen Auslösern. |
6. Tipp: Dokumentieren Sie hilfreiche Verhaltensweisen, und tauschen Sie sich darüber in Fallgesprächen aus. |
Reagieren Sie auf Traurigkeit mit Zuwendung
Ähnlich können Sie auch bei traurigen Gefühlen handeln. Lassen Sie diese gelten, und zeigen Sie Verständnis. Sie können den Erkrankten im nächsten Schritt unterstützen, wieder Mut zu fassen. Erinnern Sie z. B. an schöne Momente aus seinem Leben. Bitte beachten Sie, dass jeder Mensch auch ein Recht auf Traurigkeit hat, nicht jedes Stimmungstief muss eine Ablenkung erfahren.
Wichtig ist, dass sich der Erkrankte durch Ihre Zuwendung angenommen und verstanden fühlt. Dies kann manchmal auch nur durch ein gemeinsames Seufzen oder das Halten der Hand (wenn Berührung gewünscht ist) ausgedrückt werden.
Die Biografiekarte: Wie macht man biografische Daten erlebbar?
Eine Biografiekarte ist ein Instrument, um die biografischen Informationen im Alltag erlebbar zu machen. Dies gelingt, wenn sie tatsächlich „lebendig“ ist, von allen Kollegen genutzt wird und immer wieder auch kritisch betrachtet wird. Wenn Ihnen und Ihrem Team das gelingt, sind Sie auf einem sehr guten Weg in der fachlichen Versorgung Ihrer Pflegekunden.
Inhalt und Aufbereitung | Hier wird in ganz knapper Form der Bewohner auf maximal einer DIN-A5-Seite quasi vorgestellt. Es ist sinnvoll, wenn die Herstellung dieser Karte Ihr verantwortlicher Kollege, der auch die Biografiearbeit durchführt, übernimmt. Die prägendsten Daten des Pflegekunden sollten kurz und prägnant zusammengefasst werden. Die Karte sollte in einer gut lesbaren Schrift in einer ausreichenden Größe aufbereitet werden, damit jeder Kollege die Karte im Vorbeigehen und ohne große Mühe lesen kann. Denn nach der Erstellung der Biografiekarte soll sie an der Wand neben dem Bett des Pflegekunden aufgehängt werden. Da beabsichtigt ist, über die Biografiekarte mit dem Pflegekunden in Kommunikation zu treten, sollten natürlich nur die positiven Ereignisse hier festgehalten werden. |
Der spezielle Nutzen einer Biografiekarte | Ganz besonders sinnvoll sind Biografiekarten für Pflegekunden, die sich nicht mehr selbst äußern können. Hier ist eine gut sichtbare Biografiekarte neben dem Bett auch immer wieder eine Erinnerung und ein Anstoß, um Gesprächsthemen finden zu können. Dies gilt nicht nur für Kollegen, die schon lange an der Versorgung dieses Pflegekunden mitwirken. Auch für neue Kollegen können die aufbereiteten Informationen eine gute Hilfestellung sein. |
Regelmäßige Überarbeitung | Gerade wenn Sie spezielle Vorlieben auf der Karte notieren, mit denen Sie auch im Pflegealltag arbeiten möchten, wie z. B. in Bezug auf Essen und Trinken, sollten Sie auch eine zumindest halbjährliche Überarbeitung planen. Denn gerade bei bettlägerigen Pflegekunden kann sich hier auch einmal etwas ändern. Nötigen Überarbeitungen können Sie Raum geben, wenn Sie im Team dafür eine regelmäßige Absprache einplanen. |
Sensibler Umgang mit den Angaben von Angehörigen | Ähnlich verhält es sich bei Angaben, die der Pflegekunde gar nicht mehr selbst machen kann, die Ihnen die Angehörigen weitergeben. Außer Vorlieben und Abneigungen bei Speisen und sisGetränken betrifft dies insbesondere das Thema „Sinnesansprache“. Vorlieben, die der Pflegekunde früher einmal hatte, müssen für diese Person nicht zwangsläufig in der letzten Lebensphase noch aktuell sein. Immobile Menschen, die sich nicht mehr äußern können, können nicht mehr flüchten. Sie können nur noch aushalten. Aushalten müssen sie verschiedene Gerüche, verschiedene Geräusche, verschiedene Blickrichtungen, die andere für sie bestimmen. Gehen Sie mit der Ansprache der Sinne ganz bewusst um und vermeiden Sie eine Reizüberflutung. |
Wie gewinnt man Angehörige als Partner für die Biografiearbeit?
Häufig können Ihnen Menschen mit Demenz im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung nicht mehr so viele Informationen über ihre eigene Lebensgeschichte geben. Angehörige sind daher eine wichtige Quelle für biografische Daten und helfen Ihnen dabei, mehr aus dem Leben der Ihnen anvertrauten Menschen mit Demenz zu erfahren.
Geben Sie den Angehörigen Zeit
Es wird von Angehörigen oft als Erleichterung empfunden, etwas beitragen zu können, damit es dem Menschen mit Demenz bessergeht. Aber die Auseinandersetzung mit der Biografie des Erkrankten kann auch mit vielfältigen Gefühlen verbunden sein, da sie das eigene Leben berührt.
Gehen Sie im Gespräch daher einfühlsam vor und lassen Sie dem Angehörigen Zeit. Häufig fällt es Angehörigen leichter, die Fragen zur Biografie mit nach Hause zu nehmen, um sich auf das Gespräch vorbereiten zu können. So können sie sich in Ruhe entscheiden, welche Fragen sie beantworten können und möchten.
Damit Angehörige Ihnen Informationen geben, muss zuerst eine Vertrauensbasis geschaffen werden. Da reicht ein Gespräch nicht aus, sondern dies ist ein fortlaufender Prozess.
11 Schritte: Anleitung für ein Erstgespräch mit Angehörigen zum Thema Biografiearbeit
- Planen Sie für das Erstgespräch ausreichend Zeit ein (ca. 20 Minuten). Sich Zeit zu nehmen bedeutet Wertschätzung und unterstreicht die Wichtigkeit Ihrer Biografiearbeit.
- Verabreden Sie sich mit dem Angehörigen zu einem festen Termin und setzen Sie sich zusammen.
- Eine zugewandte Haltung mit Blickkontakt signalisiert dem Angehörigen, dass Sie sich Zeit nehmen und ihm auf Augenhöhe begegnen.
- Erläutern Sie Ihr Anliegen zur biografischen Datenerhebung, und ermutigen Sie dazu, jederzeit Fragen zu stellen. Händigen Sie dem Angehörigen den Biografiebogen aus und lassen Sie ihm ein paar Minuten Zeit, diesen zu überfliegen.
- Erläutern Sie, dass es in diesem Termin erst mal um das Bekanntmachen des Bogens und der Vorstellung des Konzeptes der Biografiearbeit geht.
- Erklären Sie, dass es nicht um das Abfragen von persönlichen Daten geht, die nur dokumentiert und dann abgeheftet oder willkürlich verteilt werden. Betonen Sie, dass alle Informationen dem Datenschutz unterliegen und nur für die Personen zugänglich sind, die mit dem erkrankten Angehörigen professionell arbeiten.
- Beschreiben Sie nachvollziehbar, warum Sie die Informationen erhalten möchten. Erläutern Sie dazu Ihr Konzept des biografischen Arbeitens und stellen Sie die Vorteile und Ziele heraus.
- Klären Sie Fragen und Unklarheiten zum Thema Biografiearbeit.
- Geben Sie den Ausblick, dass beim nächsten Treffen der Biografiebogen miteinander besprochen wird und dieser Termin ca. eine 1/2 Stunde dauert.
- Vereinbaren Sie den nächsten Termin, um die Fragen des Bogens mit dem Angehörigen zu erheben. Geben Sie die Terminvereinbarung und ggf. ein Anschreiben mit Ihren wichtigsten Erläuterungen zur Biografiearbeit zum Nachlesen mit. Anregungen erhalten Sie aus dem Musterbrief.
- Bedanken Sie sich für die Zeit, die sich der Angehörige genommen hat und signalisieren Sie, dass Sie sich auf den nächsten Termin freuen.
Der folgende Musterbrief dient dazu, dass Angehörige die besprochenen Themen zuhause noch einmal nachlesen können. Durch den Vermerk des vereinbarten Gesprächstermins bleibt dieser in Erinnerung. Passen Sie den Musterbrief Ihren Wünschen und Begebenheiten an.
Biografiearbeit im Zusammenhang mit dem MDK und SIS
Spätestens seit der Einführung des Strukturmodells ist es wieder Thema: Müssen Sie für Ihre Pflegekunden einen extra Biografiebogen ausfüllen? Die Antwort lautet: Nein, müssen Sie nicht. Trotzdem ist es pflegefachlich erforderlich, biografisch zu arbeiten, denn ohne Einbezug biografischer Ereignisse und Gewohnheiten ist eine gute, individuelle Pflege kaum möglich.
So lauten die Kriterien, die der MDK überprüft
„Wird bei Bewohnern mit Demenz die Biografie des Bewohners beachtet und bei der Pflege und Betreuung berücksichtigt?“,
lautet eine Frage aus den Transparenzkriterien zur Überprüfung der Qualität in stationären Einrichtungen. Für ambulante Dienste heißt die Frage:
„Werden bei Menschen mit Demenz die biografischen und anderen Besonderheiten bei der Leistungserbringung beachtet?“
Worin liegt der Nutzen dieser Fragen und was bedeuten sie für Ihre Arbeit und die Pflegequalität?
Biografie soll in die Arbeit mit einfließen
Laut Qualitätsprüfkriterien sind die Fragen erfüllt, wenn die Pflege auf der Grundlage relevanter Biografieangaben des Pflegekunden erfolgt. Dazu gehören Informationen zu Gewohnheiten, Vorlieben und Abneigungen des Pflegekunden. Auch Angaben zu Bildung und Beruf, Freizeit und Familie sowie besondere Lebensereignisse sollten laut Pflegetransparenzkriterien, enthalten sein.
Im Strukturmodell gibt es klare Regelungen
Wenn Sie bzw. Ihre Einrichtung oder der ambulante Dienst mit dem Strukturmodell arbeiten, kennen Sie sicher die Vorgaben bezüglich eines Biografiebogens. Die entbürokratisierte Pflegedokumentation erhebt biografische Angaben Ihres Pflegekunden ausschließlich im Rahmen der strukturierten Informationssammlung (SIS). Dabei werden nur Informationen erhoben,
,,wenn sie eine Wichtigkeit für die momentane pflegerische Versorgung und Betreuung Ihres Pflegekunden darstellen“.
Dies wären beispielsweise Familiensituation und Beziehungen, frühere Gewohnheiten und Rituale sowie soziale, kulturelle und religiöse Hintergründe.
Biografiebögen sind nur für Einzelsituationen
Die separaten Biografiebögen sollen dementsprechend nur für spezielle Einzelsituationen herangezogen werden. Dies wäre denkbar für Pflegekunden, die an einer fortgeschrittenen Demenz erkrankt sind und spezielle pflegerische Interventionen benötigen.
Selbst-Test: Gestalten Sie den Alltag Ihres Pflegekunden biografisch?
Der Selbst-Test zeigt Ihnen Möglichkeiten auf, wie Sie die Biografiearbeit im Alltag umsetzen können. Integrieren Sie diese Handlungen in den Maßnahmenplan Ihres Pflegekunden und dokumentieren sie zusätzliche biografische Informationen im Pflegebericht. Mit dem folgenden Selbst-Test können Sie prüfen, wie gut Sie die Biografiearbeit bereits in Ihren Pflegealltag integrieren.
Sie…
kennen wichtige Begriffe aus seinem Heimatdialekt oder seiner Muttersprache und haben diese dokumentiert. |
kennen den früheren individuellen Bewegungsdrang und berücksichtigen diesen im Alltag. |
berücksichtigen beim Ankleiden und bei Neueinkäufen den Kleidungsstil Ihres Pflegekunden. |
benutzen Pflegeprodukte und Düfte, die Ihr Pflegekunde von früher kennt. |
halten die bevorzugte Reihenfolge bei der Körperpflege ein (etwa das Gesicht zuletzt waschen oder die Zähne zuerst putzen). |
berücksichtigen den früheren Kleidungsstil im Alltag (gegebenenfalls bei Männern auch den Blaumann). |
berücksichtigen den individuellen Stellenwert von Körperpflege, d. h. Sie pflegen den Pflegekunden in seiner individuellen Häufigkeit und Gründlichkeit. |
bieten Ihrem Pflegekunden Speisen und Getränke an, die er gewohnt ist. |
gestalten die Atmosphäre beim Essen anhand alter Gewohnheiten (etwa in Gesellschaft bzw. allein oder bei der Wahl der Tischnachbarn im Hinblick auf Benimmregeln). |
berücksichtigen Rituale beim Toilettengang (etwa Zeitung lesen oder „Verdauungszigarette“). |
berücksichtigen die Schlafgewohnheiten Ihres Pflegekunden (etwa spätes Zubettgehen oder sehr frühes Aufstehen). |
berücksichtigen individuelle Einschlafrituale (wie etwa das Abendgebet). |
passen frühere Tätigkeiten oder Hobbys an die heutigen Fähigkeiten Ihres Pflegekunden an (etwa Wolle aufwickeln statt stricken). |
erkennen das Rollenverständnis Ihres Pflegekunden an (etwa männliche Abneigung gegen die scheinbare Bevormundung durch Frauen). |
passen Ihre Prophylaxen den Gewohnheiten des Pflegekunden an (z. B. die Positionierung bei der Dekubitusprophylaxe). |
berücksichtigen langjährige Ängste im Alltagshandeln (z. B. kein Einsatz von männlichen Pflegekräften, wenn eine Pflegekundin Angst vor Männern hat). |
kennen die wichtigsten Namen (auch Vornamen) von Angehörigen und Freunden Ihres Pflegekunden auswendig. |
versuchen, bei Verhaltensauffälligkeiten Erklärungen aus vergangenen Ereignissen zu finden. |
Fazit zur Biografiearbeit mit Senioren
Die Biografiearbeit ist integraler und unerlässlicher Bestandteil der Pflege – sowohl ambulant als auch stationär. Eine gut umgesetzte Biografiearbeit zeichnet sich dadurch aus, dass nicht Daten und Fakten im Vordergrund stehen, sondern das Erleben der betreffenden Personen.
Insbesondere demente Menschen können ihre Bedürfnisse häufig nicht mehr explizit äußern. Nutzen Sie die Biografiearbeit als Chance, das Verhalten Ihrer Pflegekunden und damit verbundene Bedürfnisse besser zu verstehen. Sie werden sehen, dass Sie in Ihrer täglichen Arbeit von mehr Gelassenheit und Toleranz profitieren werden, wenn Sie um die persönlichen Lebensgeschichten Ihrer Pflegekunden wissen. Ihre Pflegepatienten wiederum gewinnen durch den wertschätzenden Umgang an Sicherheit und Selbstbewusstsein und können Sie dadurch als wichtige Bezugsperson erfahren.