Palliativpflege: Was Sie über die Pflege Schwerstkranker wissen müssen

Ein Senior in einem grünen Kittel trägt eine Beatmungsmaske. Eine Ärztin in weißem Kittel beaufsichtigt ihn.
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Auch wenn Sie sich nicht auf Palliativpflege spezialisiert haben, widmen Sie sich täglich schwer kranken und hochbetagten Menschen mit begrenzter Lebenserwartung. Selbst, wenn Sie keine spezielle vertraglich vereinbarte Sterbebegleitung erbringen, möchten Sie Leid lindern und Schmerzen nehmen. Genauso wie die Palliativpflege und Palliativmedizin verfolgen Sie das Ziel, Ihren Patienten eine möglichst hohe Lebensqualität bis zum Lebensende zu ermöglichen.

Da Ihr Patient verschiedene Krankheitsstadien durchläuft, kommt es auch immer wieder zu Änderungen der Behandlungsprioritäten. Daher sollten Sie als Pflegekraft die einzelnen Phasen in der Palliativpflege kennen, damit Sie zusammen mit dem behandelnden Arzt Ihres Patienten die verschiedenen pflegerischen und medizinischen Maßnahmen an das jeweilige Krankheitsstadium anpassen können. Doch was sollten Sie über Palliativpflege und die Arbeit mit dem Patienten und den Angehörigen noch wissen?

Palliativpflege: Was ist das und wer gilt als Palliativpatient?

Egal, mit welcher Diagnose sich Palliativpatienten konfrontiert sehen – sie haben eines gemein: Eine unheilbare Krankheit, die teils langsamer, teils schneller zum Tod führen wird. Die Zeit nach einer solchen Diagnose ist nicht nur für die Sterbenden, sondern auch für ihre Angehörigen eine Herausforderung. Egal, ob die Diagnose Krebs, ALS, Demenz oder Parkinson lautet: zum Ende der Lebenszeit wünschen sich Betroffene eine umfassende Pflege auf Augenhöhe.

Aus diesem Grund geht es bei der Palliativversorgung von Patienten nicht nur darum, Schmerzen zu lindern und Wunden zu versorgen. Vor allem stehen die Steigerung der verbleibenden Lebensqualität und die Linderung von Beschwerden im Mittelpunkt. Ein wichtiger Stichpunkt lautet hierbei „Ganzheitlichkeit“ – denn bei der palliativen Pflege steht nicht nur die Krankheit, sondern vor allem der Patient als Mensch und sein allumfassendes Wohlergehen im Zentrum Ihrer Tätigkeit.

Vier Phasen nach Jonen-Thielemann: Wie sieht Palliativpflege aus?

Ob im Hospiz, auf der Palliativstation im Krankenhaus oder in der Pflege durch ambulante Hospiz- und Pflegedienste: Die letzten Jahre, Monate oder Wochen eines Palliativpatienten lassen sich häufig in vier Phasen unterteilen. Diese Einteilung hilft, die Gefühlswelt von Patienten und Angehörigen besser nachvollziehen zu können. Zudem machen sie deutlich, welche Anforderungen es an die Betreuung und Pflege der Sterbenden gibt.

1. Palliativ-Therapie-PhaseEine Krankheit wird in dieser Phase als unheilbar erkannt und akzeptiert. Neben einer symptomorientierten Therapie wird auch weiterhin die Grunderkrankung behandelt (z. B. durch eine palliative Chemo-, Strahlen- oder Immuntherapie). Ziel ist hierbei nicht mehr die Heilung des Patienten, sondern die Lebensverlängerung und eine gute Kontrolle aller belastenden Symptome.
2. Palliativ-Care-PhaseDurch das Fortschreiten der Grunderkrankung stehen die damit verbundenen Symptome im Vordergrund. Es wird in der Regel von einer weiteren Behandlung der Grunderkrankung abgesehen. Behandelt werden alle beeinträchtigenden Symptome. In dieser Phase ist nicht mehr die Lebensverlängerung das Ziel der Behandlung, sondern eine Verbesserung der Lebensqualität.
3. TerminalphaseIn dieser Phase ist die Krankheit schon sehr weit fortgeschritten. Mit dem Versterben des Patienten muss innerhalb der nächsten Tage gerechnet werden. Im Vordergrund steht zu diesem Zeitpunkt nur noch die Behandlung der Symptome des Patienten. Dies sind insbesondere Atemnot, Verweigerung der Nahrungsaufnahme, Schwäche, Unruhe und Angst. Um den Patienten nicht weiter zu belasten, werden zu diesem Zeitpunkt auch alle bisher durchgeführten prophylaktischen Maßnahmen eingestellt.
4. SterbephaseDer Tod des Patienten ist in dieser Phase innerhalb der nächsten Stunden zu erwarten. Gefordert ist hier die maximale Therapie der Symptome (z. B. Angst, Unruhe, Atemnot etc.). Mitunter kann auch eine palliative Sedierung für den Patienten erforderlich sein, wenn er unter zu großen Angstzuständen leidet.



Patienten in der Sterbephase sollten niemals aus ihrer gewohnten Umgebung verlegt werden. Es sollte darauf geachtet werden, dass sie nicht allein gelassen werden – es sei denn, dies entspricht ihrem Wunsch.

Übersicht: Krankheitsstadien und deren Therapieformen

TherapiephaseKrankheitsphaseLebensstadienTherapieformenTherapieziele, -erwartung
Palliativ-Therapie-PhaseUnheilbare Krankheit, die zum Tod führtMonate bis Jahresymptomatische Therapie, spezielle Therapie der Grunderkrankung (Chemo-, Strahlen- oder Immuntherapie)– Lebens-verlängerung

– Prophylaxe

– Steigerung der Lebens-qualität

– Kontrolle belastender Symptome
Palliativ-Care-PhaseZunahme der belastenden Symptome durch Fortschreiten der KrankheitTage bis Wochensymptomatische Therapie nur in speziellen Fällen; Fortführung der Therapie der Grunderkrankung– Prophylaxe

– Steigerung der Lebens-qualität

– Kontrolle belastender Symptome
TerminalphaseEndstadium der ErkrankungStunden bis Tagesymptomatische Therapie– Steigerung der Lebens-qualität

– Kontrolle belastender Symptome
SterbephaseSymptome des unmittelbar bevorstehenden TodesMinuten bis StundenTherapie, die sich maximal an den Symptomen orientiert– Kontrolle belastender Symptome

Herausforderungen der Palliativpflege: Worauf kommt es an?

Als Pflegende sind Sie sich über die Vielseitigkeit und die zahlreichen Ebenen Ihres Berufs mehr als bewusst. In der palliativen Pflege (egal ob im Hospiz oder bei einem Palliativpflegedienst) kommt es jedoch zusätzlich darauf an, nicht nur die körperlichen Aspekte der Pflege wahrzunehmen. Deshalb werden vier Dimensionen unterschieden, die in der Palliativversorgung eines Sterbenden von Bedeutung sind.

Psychische DimensionViele Palliativpatienten haben ein großes Spektrum an vor allem negativen Emotionen, das sie bewältigen müssen. Hoffnungslosigkeit folgt auf Trauer, Wut oder Angst. Aus diesem Grund bedarf es einer Menge an Empathie der Pflegenden, die beistehen und eine Unterstützung darstellen. Auch psychologische Hilfe wird in der Palliativpflege eingesetzt.
Physische DimensionBei vielen der Krankheiten, an denen Palliativpatienten leiden, kommt es zu körperlichen Schmerzen und Leiden. Diese gilt es zu lindern und für den Patienten erträglich(er) zu machen. Es ist zu beachten, dass in den allermeisten Fällen eine Heilung ausgeschlossen ist. Auch deshalb sollte man in der körperlichen Pflege Sterbender besonders sensibel vorgehen.
Soziale DimensionWas die Pflege mit Palliativpatienten zudem anders macht, ist die intensive Zusammenarbeit mit den Angehörigen. Denn auch diese sind von der Situation betroffen und wollen den Sterbenden unterstützen. In der Palliativversorgung werden die Angehörigen daher stark eingebunden, um ihnen und dem Patienten den Abschied zu erleichtern.
Spirituelle DimensionPalliativpatienten sind durch ihre gesundheitliche Situation direkt mit dem Tod konfrontiert und machen sich dementsprechend auch zahlreiche Gedanken darüber. Häufig suchen sie das Gespräch mit Pflegenden. Auf Wunsch von Patienten ist es hierbei auch möglich, Menschen wie einen Pfarrer oder Rabbiner in die palliative Versorgung zu integrieren, die durch geistliche Unterstützung palliative Betreuung leisten.

Dem Einzelnen gerecht werden: Die Besonderheit von Palliativpflege und Palliativmedizin

Wichtig ist es in der Palliativpflege, immer im Hinterkopf zu behalten, dass die Palliativversorgung so individuell ist, wie kaum ein anderer Aspekt der Pflege – und dass sie auch den Anspruch hat, dem Einzelnen gerecht zu werden. Es ist hierbei Aufgabe der Pflegenden, die ganzheitliche Pflege durchzuführen. Diese kann sich dabei elementar von „klassischen“ pflegerischen Aufgaben unterscheiden. Unter anderem können Palliativpatienten folgende Wünsche haben:

Sie legen vor allem Wert auf eine hervorragende medizinische Versorgung.
Sie wollen durch Massagen oder sportliche Aktivitäten ihr Wohlbefinden steigern.
Sie wollen keine Medikamente mehr einnehmen und ihr Leben dadurch zusätzlich verlängern.
Sie wollen keine Schmerzen haben und nehmen dafür auch sämtliche Nebenwirkungen von Arzneimitteln in Kauf.
Sie kommen mit den Schmerzen klar, haben jedoch starke Angst vor dem Tod und benötigen hierbei Unterstützung.
Sie wollen in ihrer letzten Zeit nochmals einiges erleben und Erinnerungen mit ihren Angehörigen schaffen.
Sie wollen sich vor allem von ihrem Zustand ablenken und ihn vergessen.
Sie wollen alles über ihre Krankheit wissen und von keinen Details verschont bleiben.

Für Pflegedienste kann es eine Herausforderung sein, mit den individuellen Wünschen von Palliativpatienten umzugehen. Doch als Pflegefachkräfte sind Sie in der Lage, die ganzheitliche Unterstützung am besten zu geben und die Sterbenden sowie ihre Angehörigen auf dem letzten Weg zu begleiten.

Egal, in welcher Phase sich jedoch der Palliativpatient befindet oder welche Anforderungen an die Pflege er hat: Der Sterbende hat unterschiedliche Optionen, wie er die Palliativversorgung wahrnehmen möchte. Ein Hospiz ist dabei nur eine von zahlreichen Möglichkeiten.

Welche Optionen gibt es für palliative Versorgung und Pflege?

Die ganzheitliche Pflege von Patienten ist nicht nur im Hospiz möglich. Auch, wenn eine Einrichtung zur Sterbebegleitung für viele die erste Assoziation mit der Palliativversorgung ist. Es ist durchaus auch möglich, Palliativpflege auf andere Art wahrzunehmen. Hierbei bieten sich folgende Optionen:

Die Entscheidung für eine der Optionen hängt dabei häufig vom Gesundheitszustand des Betroffenen und den persönlichen Wünschen ab. Viele Sterbende möchten ihre letzten Lebenstage nicht in einer Einrichtung verbringen, sondern im eigenen Haus. Sie nehmen dann gerne ambulante Dienste in Anspruch, die die Palliativversorgung in einer gewohnten Umgebung leisten.

Für andere lässt dies der gesundheitliche Zustand nicht mehr zu. Sie benötigen dauerhafte medizinische Begleitung und Unterstützung. Solche Palliativpatienten werden meist auf den Palliativstationen von Krankenhäusern oder in einem stationären Hospiz versorgt. Diese Einrichtungen können die dauerhafte, gesamtheitliche Pflege leisten und ermöglichen den Sterbenden so einen würdevollen Lebensabend. Dennoch spielen in vielen Fällen vor allem auch die Kosten der Palliativpflege eine wichtige Rolle bei der Entscheidung.

Kosten der Palliativpflege: Diese Regelungen bestehen

Wer die Kosten für eine Palliativversorgung von Patienten übernimmt, ist vor allem für die Angehörigen der Sterbenden von Bedeutung. Mit etwas Grundwissen stellen Sie als Pflegefachkraft dabei eine wichtige Ansprechperson für die Familien dar. Es bestehen die folgenden Regelungen:

  • eine Palliativversorgung zu Hause wird von der Krankenkasse des Patienten übernommen (SGB V)
  • nimmt der Patient stationäre Palliativpflege in Anspruch, hat er Anrecht auf eine Teilübernahme der Kosten durch die Krankenkasse
  • wer nach § 37b des SGB V Anspruch auf Palliativpflege hat, muss die Kosten für eine ambulante Versorgung nicht selbst tragen und hat zudem Anrecht auf Kostenübernahme bei palliativen Krankenhausaufenthalten durch die Krankenkasse
  • wer in einem Pflege- oder Altersheim palliative Versorgung erhält, muss Unterkunft und Verpflegung selbst finanzieren. Die Krankenkasse übernimmt jedoch die Kosten der Palliativpflege dort. Bei einer zusätzlichen Pflegeversicherung übernimmt diese Teile der Kosten, die Höhe der Zuschüsse hängt dabei vom Pflegegrad ab

Zahlreiche Anbieter stellen Unterstützung für Angehörige von Palliativpatienten zur Verfügung. Auch hierbei gibt es einiges zu beachten.

Wie können Angehörige die Palliativpflege unterstützen?

Wenn Angehörige ihre todkranken Verwandten in der letzten Lebensphase begleiten möchten, steht ihnen diese Option offen: Es ist möglich, sich für drei Monate von der Arbeit freistellen zu lassen, um sich an der Palliativpflege zu beteiligen. Voraussetzung hierfür ist eine Verwandtschaft bis zum zweiten Grad. Die Freistellung erfolgt dabei in Voll- oder Teilzeit. Jedoch sollten Angehörige beachten, dass ein rechtlicher Anspruch erst ab einer Firmengröße von 15 Mitarbeitern besteht.

Angehörige von Palliativpatienten haben zudem die Option, ein zinsloses Darlehen des BAFzA (Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben) aufzunehmen. Voraussetzung für die Freistellung und das Darlehen ist es dabei nicht, dass die Pflege zu Hause erfolgt. Diese kann auch in einem Hospiz, dem Krankenhaus oder einem Pflegeheim stattfinden. Die Krankenkassen stellen zudem zahlreiche kostenlose Beratungsangebote für Sterbende und ihre Familien zur Verfügung.