- Was sind freiheitsentziehende Maßnahmen?
- Welche Formen von freiheitsentziehenden Maßnahmen gibt es?
- Wann finden freiheitsentziehende Maßnahmen in der Pflege Anwendung?
- Welche Risiken sind mit freiheitsentziehenden Maßnahmen verbunden?
- Fazit: Freiheitsentzug nur mit Einwilligung oder richterlichem Beschluss
- FAQs: Häufig Fragen zum Thema freiheitserziehende Maßnahmen in der Pflege
Leidet ein Patient an einer schwerwiegenden Krankheit wie Demenz, kann ein Kontrollverlust über den eigenen Körper die Folge sein. In manchen Fällen besteht dann die Gefahr, dass der Pflegekunde sich selbst verletzt – bewusst oder unbewusst. Hier stellen freiheitsentziehende Maßnahmen eine Lösung für extreme Fälle dar, um den Patienten vor sich und Dritten zu schützen. Allerdings greifen derartige Mittel stark in die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte des Patienten ein. Lesen Sie hier, wann freiheitsentziehende Maßnahmen in der Pflege vertretbar sind und welche rechtlichen Voraussetzungen gelten.
Was sind freiheitsentziehende Maßnahmen?
Unter freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM) versteht man äußere Eingriffe in die Handlungs- und Bewegungsfreiheit eines Menschen. Dazu gehören beispielsweise:
- Bettgitter
- Fuß- sowie Handgelenkfesseln
- beruhigende Medikamente
Als Pflegemaßnahme bewahren sie nach § 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) einen Pflegekunden vor einem möglichen Suizid oder Selbstverletzung. Auch dienen sie dem Schutz von Dritten, sollte der Patient beispielsweise eine Gefahr für andere Bewohner einer Pflegeeinrichtung darstellen. Deshalb stehen freiheitsentziehende Maßnahmen oft in Verbindung mit starken psychischen Krankheiten sowie geistigen oder seelischen Leiden wie Demenz.
Freiheitsentziehende Maßnahmen sind eine Form der Gewalt, die gegen die Freiheitsrechte des Menschen verstoßen – formuliert in Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes (GG). Aus diesem Grund sind sie ohne die Einwilligung des Patienten oder einer richterlichen Genehmigung strafbar.
In Einzelfällen bedürfen freiheitsentziehende Maßnahmen keiner Genehmigung. Dazu gehört zum einen der Notstand, sollte in einem zeitlich begrenzten Moment ohne den Einsatz von FEM das Leben des Patienten in Gefahr sein. Zum anderen fällt in diesen Bereich ein ärztliches Attest, das bestätigt, dass der Pflegekunde bestimmte Bewegungen nicht mehr bewusst steuern kann. Hier lassen sich durch freiheitsentziehende Maßnahmen schwere Stürze vermeiden.
Welche Formen von freiheitsentziehenden Maßnahmen gibt es?
Grundsätzlich sind zwei Arten von freiheitsentziehenden Maßnahmen zu unterscheiden: Zum einen die Sedierung, die ein Ruhigstellen mithilfe von Medikamenten meint. Die zweite FEM-Art ist die Fixierung: Darunter fallen verschiedene mechanische Vorrichtungen, die den Betroffenen in seiner Bewegungsfreiheit einschränken. Dazu zählen:
- Bettseitenteile oder Bettgitter
- Abschließen von Türen
- Fixieren von Rollstühlen oder Sitzgelegenheiten
- Stühle mit Stecktischen, die ein eigenständiges Aufstehen verhindern
- Handgelenk- und Fußfesseln
- Fixiergurte
- Fixierdecken
- Festhalten
Wann finden freiheitsentziehende Maßnahmen in der Pflege Anwendung?
Neigt ein Pflegekunde zu schwerwiegendem selbst- oder fremdverletzendem Verhalten, können freiheitsentziehende Methoden greifen. Die Voraussetzung dafür ist, dass es keine andere Möglichkeit gibt, die Gefahr zu minimieren. Auch müssen Pflegekräfte nach richterlicher Genehmigung derartige Maßnahmen immer im Sinne des gesundheitlichen Patientenwohls und nie länger als notwendig durchführen. Freiheitsentziehende Maßnahmen dürfen kein Hilfsmittel zur Zeitersparnis sein oder um Abläufe im Pflegealltag zu vereinfachen.
Zur Veranschaulichung, wann freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Pflege mitunter gerechtfertigt sind, dienen drei Beispiele:
1. Beispiel
Frau Meier ist gestürzt und sitzt mit einem komplizierten Wadenbruch im Rollstuhl. Frustriert von der Einschränkung versucht sie aktiv zu bleiben und rollt unaufhörlich im Aufenthaltsraum des Pflegeheims herum. Die anderen Bewohner fühlen sich dadurch gestört.
Lösung: Das Verhalten von Frau Meier erschwert zwar den Pflegealltag, jedoch verletzt sie dadurch weder sich noch andere körperlich – freiheitsentziehende Maßnahmen wie das Feststellen ihres Rollstuhls wären hier nicht rechtens. Die Aufgabe von Pflegekräften ist es, Frau Meier um Rücksicht zu bitten. Auch kann ihr das Personal nach ärztlicher Absprache mithilfe von aktivierender Pflege oder Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Mobilität helfen, ihre Eigenständigkeit zurückzugewinnen. Dazu unterstützt die Sturzprophylaxe Frau Meier darin, eine Sturzgefahr nach ihrer Genesung zu verringern.
2. Beispiel
Herr Großmann leidet an Diabetes. Er besteht aber darauf, wie die anderen Pflegeheim-Bewohner ein Stück Torte zu essen. Das Pflegepersonal weist ihn auf den gesundheitlichen Schaden hin, den er sich damit zufügen würde – er lässt sich allerdings nicht belehren.
Lösung: Wenn Herr Großmann geistig voll zurechnungsfähig ist, gilt sein Wille als Teil des Persönlichkeitsrechts (Artikel 1 sowie Artikel 2 Absatz 1 GG). Die Entscheidung, das Stück Torte zu essen, fällt somit unter die freie Entfaltung der Individualität – zu der auch unvernünftige Handlungen zählen. Ihn also durch beispielsweise Festhalten am Tortenverzehr zu hindern, wäre strafbar.
3. Beispiel
Frau Schulze ist an Depressionen erkrankt und – inklusive starker Schlafstörungen, die mit unbeabsichtigten Bewegungen verbunden sind. Deshalb ist sie nachts bereits wiederholt aus ihrem Bett gefallen und hat sich schlimme Prellungen zugezogen.
Lösung: Ein Bettgitter würde Frau Schulze davor schützen, während des Schlafs vom Bett aus auf den Boden zu stürzen. Mit Genehmigung der Patientin oder nach Beantragung einer bevollmächtigten Person unterstützt diese freiheitsentziehende Maßnahme also das Wohl der Pflegekundin.
Welche Risiken sind mit freiheitsentziehenden Maßnahmen verbunden?
Die Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen bringt stets ein genaues Abwägen mit sich. Zum einen dienen Bettgitter oder Fixierdecken dem Schutz eines Patienten, wenn sich dadurch schwere körperliche Verletzungen vermeiden lassen. Andererseits kann es passieren, dass psychische Begleiterscheinungen auftreten – vor allem dann, wenn geistig erkrankte Pflegekunden nicht verstehen, warum ihnen ein Teil ihrer Freiheit genommen wird.
Psychische Reaktionen auf freiheitsentziehende Maßnahmen können zum Beispiel sein:
- Stress
- aggressives Verhalten
- Angst
- Halluzinationen
Weitere Risiken liegen in einer falschen Fixierung: Befestigen Pflegekräfte oder Angehörige FEM-Hilfsmittel wie Fesseln nicht richtig, können blaue Flecken, Abschürfungen oder schmerzhafte Druckstellen die Folge sein. Bei Fixierungen am Halsbereich besteht zudem die Gefahr, dass sich Pflegebedürfte selbst die Luftzufuhr abschneiden und ersticken. Das Durchführen von freiheitsentziehenden Maßnahmen ist deshalb mit größter Vorsicht, Verantwortung und Kompetenz verbunden.
Ein weiterer potenzieller Effekt von Maßnahmen, die die Bewegungsfreiheit eines Menschen derart einschränken, ist ein Muskelschwund: Die Mobilität nimmt ab, bestimmte Muskelgruppen werden schwächer. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit eines Sturzes. Pflegekräfte können hier einen positiven Beitrag leisten, indem nach ärztlicher Absprache mit aktivierender Pflege und Mobilitätsübungen den physischen Folgen von FEM begegnet werden.
Fazit: Freiheitsentzug nur mit Einwilligung oder richterlichem Beschluss
Stellen Pflegekunden eine hohes Verletzungspotenzial für sich selbst oder andere dar, können freiheitsentziehende Maßnahmen diese Gefahr verringern. Dabei gilt: Nur Betroffene oder bevollmächtigte Personen mit richterlicher Genehmigung haben das Recht, Pflegemaßnahmen mit Freiheitsentzug anzuordnen. Ausnahmen in Einzelfällen sind Notsituationen oder ärztliche Anweisungen.
Dabei ist stets abzuwägen, ob freiheitsentziehende Maßnahmen wirklich notwendig sind. Schließlich bringen sie ein hohes Risiko mit sich, dass Pflegekunden psychisch unter dem Verlust von Freiheit leiden. Deshalb muss zu jeder Zeit das gesundheitliche Wohl des Patienten im Vordergrund stehen – auf allen Ebenen.
FAQs: Häufig Fragen zum Thema freiheitserziehende Maßnahmen in der Pflege
Braucht man für freiheitsentziehende Maßnahmen eine Genehmigung?
Ja, unbedingt: Freiheitsentziehende Maßnahmen ohne Zustimmung der betroffenen Person oder richterlicher Genehmigung sind strafbar. Ausnahmen bilden Notfälle oder ein ärztliches Attest – zum Beispiel, wenn der Patient ohne FEM stets einer Sturzgefahr ausgesetzt ist.
Welche freiheitsentziehenden Maßnahmen gibt es?
Freiheitsentziehende Maßnahmen gliedern sich in die Sedierung (Ruhigstellen mit Medikamenten) und die Fixierung (mechanische Hilfsmittel wie Bettgitter oder Fixierdecken).
Was ist der Unterschied zwischen einer freiheitseinschränkenden und freiheitsentziehenden Maßnahme?
Freiheitsbeschränkende Maßnahmen sind kurzfristig und bedürfen keiner richterlichen Genehmigung (z. B. Sichern eines Rollstuhlfahrers beim Spazieren mit einem Gurt). Finden derartige Aktionen über einen längeren Zeitraum oder wiederholt statt, spricht man von freiheitsentziehenden Maßnahmen (z. B. dauerhaftes Fixieren des Rollstuhlfahrers).
Wie kann man den Einsatz freiheitsentziehender Maßnahmen reduzieren?
Der Einsatz freiheitsentziehender Maßnahmen sollte immer als letztes Mittel und nur dann erfolgen, wenn alle anderen Optionen zur Risikominimierung ausgeschöpft sind. Alternativen wie die Anpassung der Umgebung, die Förderung von Mobilität und Selbstständigkeit, regelmäßige Überwachung und die Einbeziehung von Angehörigen und Fachpersonal sollten bevorzugt werden.
Welche Rolle spielen Pflegekräfte und Angehörige im Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen?
Pflegekräfte und Angehörige spielen eine wichtige Rolle bei der Entscheidung über den Einsatz freiheitsentziehender Maßnahmen. Sie sollten sensibel auf die Bedürfnisse und Vorlieben der betroffenen Person eingehen und gemeinsam alternative Lösungen entwickeln, um ihre Sicherheit und Lebensqualität zu gewährleiste