Hygieneverordnung & Infektionsschutz

Die Hygieneverordnung zeigt, wie Infektionen verhindert werden können.
Ein Pfleger und eine Ärztin sehen sich gemeinsam die Hygieneverordnung auf einem Klemmbrett an.
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Inhaltsverzeichnis

In der Kranken- und Altenpflege hat Hygiene einen sehr hohen Stellenwert. Denn die betreuten Menschen sind nicht nur häufig Träger von Krankheitskeimen, sondern haben auch verminderte Abwehrkräfte gegen Infektionen.

Hinzu kommt die hohe Kontaktintensität von Pflegekräften und Ärzten, welche das Übertragen von Infektionskrankheiten begünstigt. Deshalb ist der Gefahr, dass sich in Krankenhäusern und in Einrichtungen der stationären Pflege Infektionskrankheiten ausbreiten (nosokomiale Infektionen), erhöhte Beachtung zu schenken.

Definition: Was ist die Hygieneverordnung?

Das deutsche Infektionsschutzgesetz (IfSG) – vollständiger Titel: „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen” – enthält einen äußerst wichtigen Paragrafen zu diesem Thema: „§ 23 Nosokomiale Infektionen; Resistenzen; Rechtsverordnungen durch die Länder“. Dieser Artikel regelt die organisatorischen Aspekte rund um das Thema der nosokomialen Infektionen.

Neben zahlreichen anderen Bestimmungen (wie beispielsweise die Aufgaben des Robert Koch-Institutes) ist hier auch festgelegt, dass die Landesregierungen Hygieneverordnungen zu definieren haben. Im § 23 Abs. 8 IfSG heißt es:

Die Landesregierungen haben durch Rechtsverordnung für Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Vorsorge- oder Rehabilitations­einrich­tungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt, sowie für Dialyseeinrichtungen und Tageskliniken die jeweils erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung, Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und Krankheitserregern mit Resistenzen zu regeln.

Die Verordnung ist also ein Gesetz, welches Ausführungsbestimmungen zum Infektionsschutzgesetz enthält. Obwohl sie von den Landesregierungen individuell formuliert werden kann, sind die Verordnungen der verschiedenen Länder ähnlich gestaltet. Deshalb beschränkt sich dieser Beitrag exemplarisch auf Nordrhein-Westfalen.

Ziele: Warum gibt es die Hygieneverordnung?

Oberstes Ziel der Hygieneverordnung ist es letztlich, die Übertragung von Krankheitserregern auf andere Menschen im Rahmen einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zu verhindern. Dazu stellt der Gesetzgeber Vorschriften auf, welche für die Verantwortlichen entsprechender Einrichtungen verbindlich sind. Damit wird gewährleistet, dass ein Minimalstandard eingehalten wird.

Grundsätzlich ist Hygiene Ansichtssache: Wann muss man in welchem Ausmaß auf Hygiene achten? Wo sich der eine mit oberflächlichen Reinigungen zufriedengibt, findet der andere eine gründliche Desinfektion angebracht. Die Hygieneverordnung will allgemein verbindliche Normen schaffen: Grundregeln, die für alle gelten.

Weil die Bundesländer für ihre Krankenhäuser selber verantwortlich sind, sollen sie auch die Hygiene-Vorschriften selber festlegen: Dies ist der Zweck der Hygieneverordnung.

Eine Infografik mit den Zielen und Zielgruppen der Hygieneverordnung.

Für wen gilt das Infektionsschutzgesetz?

Das Infektionsschutzgesetz zählt diejenigen Einrichtungen auf, für welche die Hygieneverordnung relevant ist:

  • Krankenhäuser
  • Einrichtungen für ambulantes Operieren
  • Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt
  • Dialyseeinrichtungen,
  • Tageskliniken
  • Entbindungseinrichtungen
  • Behandlungs- oder Versorgungseinrichtungen, die mit einer der oben genannten Einrichtungen vergleichbar sind,
  • Arztpraxen, Zahnarztpraxen
  • Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe
  • Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden
  • Ambulante Pflegedienste, die ambulante Intensivpflege in Einrichtungen, Wohngruppen oder sonstigen gemeinschaftlichen Wohnformen erbringen.

Wörtlich sagt das IfSG, dass die Leiter solcher Einrichtungen sicherstellen müssen, dass

„die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, zu vermeiden.”

IfSG

Letztlich gilt die Hygieneverordnung für alle Personen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit in solchen Einrichtungen mit nosokomialen Infektionen und Krankheitserregern in Berührung kommen können: Ärzte, Pflegefachkräfte, Pflegeassistenten usw.

Eine Infografik über Infektionsschutz und dem Verhalten bei Verletzungen.

Zwei verschiedene Hygieneverordnungen

Auf Länder-Ebene ist zu unterscheiden zwischen allgemeinen Hygieneverordnungen und Verordnungen zur Krankenhaushygiene:

Verordnung zur Krankenhaushygiene

Diese Verordnung gilt für medizinische Einrichtungen, also primär für:

  • Krankenhäuser
  • Einrichtungen für ambulantes Operieren
  • Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen mit medizinischer Versorgung vergleichbar zu Krankenhäusern
  • Dialyseeinrichtungen
  • Tageskliniken

Wenn Einrichtungen der stationären Altenpflege medizinische Leistungen anbieten, unterstehen sie dieser Verordnung.

Allgemeine Hygieneverordnung

Die allgemeine Hygieneverordnung betrifft Firmen und Personen, welche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit „invasive” Eingriffe vornehmen oder regelmäßig unbeabsichtigt die Haut verletzen: Rasieren, Tätowieren, Piercing, Ohrlochstechen, aber auch Maniküre und Pediküre. In diese Kategorie fallen auch ambulante Pflegedienste.

Welche Punkte umfasst die Hygieneverordnung?

Das Infektionsschutzgesetz sieht vor, dass Hygieneverordnungen in den folgenden Bereichen verbindliche Regelungen schaffen müssen:

  • Bau, Ausstattung und Betrieb der Einrichtungen
  • Hygienekommission des Betriebs
  • Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte im Betrieb, die für die Hygiene zuständig sind
  • Qualifikation und Schulung des Personals hinsichtlich Infektionsprävention
  • Dokumentation (erkennen und erfassen von Infektionen)
  • Sicherstellen, dass Behörden (z. B. Gesundheitsamt) Einsicht in die einschlägigen Akten nehmen können
  • Information des Personals über Maßnahmen zur Verhütung/Bekämpfung von Infektionen und resistenten Krankheitserregern
  • Klinisch-mikrobiologische und klinisch-pharmazeutische Beratung des ärztlichen Personals
  • Sicherstellen, dass bei der Verlegung, Überweisung oder Entlassung von Patienten die aufnehmenden Einrichtungen resp. Ärzte über notwendige Maßnahmen zur Bekämpfung von Infektionen / Krankheitserregern informiert werden
Eine Infografik über die Bestandteile der Hygieneverordnung.

Die nachfolgenden Erklärungen stützen sich exemplarisch auf die Hygieneverordnung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Dessen Inhalten finden sich jedoch in ähnlicher Weise auch in den Verordnungen der anderen Länder.

Die Verordnung zur Krankenhaushygiene  legt unter anderem fest, welche personellen Maßnahmen die Einrichtungen ergreifen müssen. Dazu zählen insbesondere die Ernennung des Hygienefachpersonals:

  • Die Bildung einer Hygienekommission
  • Die Beschäftigung von Hygienefachkräften
  • Die Bestellung eines Hygienebeauftragten
  • Die Beratung durch einen Krankenhaushygieniker

Die Hygienekommission

Die Hygienekommission setzt sich mindestens aus den Fachführungskräften (ärztliche Leitung, leitende Pflegekraft, Leitung des Wirtschafts- und Verwaltungsdienstes) sowie dem einschlägigen Hygienefachpersonal (Hygienefachkräfte, Krankenhaushygieniker, Hygienebeauftragter) zusammen. Dies schließt nicht aus, dass noch weitere Personen dieser Kommission angehören.

Die Aufgaben der Hygienekommission sind:

  • Dafür zu sorgen, dass Hygienepläne aufgestellt und fortgeschrieben werden
  • Das Einhalten dieser Hygienepläne zu überwachen
  • Das „Alarmsystem” bei nosokomialen Infektionen definieren: Wer innerhalb welcher Zeit wen informieren muss
  • Mitwirkung bei der Planung von Baumaßnahmen
  • Dafür zu sorgen, dass die erwähnten Maßnahmen bei der Verlegung, Überweisung oder Entlassung von Patienten umgesetzt werden.

Hygienefachkräfte

Hygienefachkräfte sind Fachpersonen, welche eine qualifizierte, staatlich anerkannte Weiterbildung zur Hygienefachkraft erfolgreich absolviert haben. Sie haben vielfältige Aufgaben rund um das Schulen, Kontrollieren/Überwachen, Analysieren und Bewerten von Hygienestandards und -maßnahmen.

Die Verordnung zählt nicht weniger als 13 Aufgabengebiete auf!

Hygienebeauftragte

In Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen ist der Hygienebeauftragte ein in der Einrichtung klinisch tätiger Arzt, welcher sich im Bereich Hygiene weitergebildet hat und fachlich weisungsbefugt ist. Seine Aufgabe ist es, beim Einhalten der Regeln der Hygiene- und Infektionsprävention mitzuwirken und Verbesserungen der Hygienepläne anzuregen.

In der Pflege werden staatlich anerkannte Gesundheits- und Krankenpfleger mit mehrjähriger Berufserfahrung als Hygienebeauftragte auf den Stationen und Funktionsbereichen eingesetzt.

Krankenhaushygieniker

Krankenhaushygieniker sind – vereinfacht ausgedrückt – Fachberater. Sie sind vollamtlich damit beschäftigt, das Personal zu beraten, Krankenhausbereiche zu begehen, Hygienepläne zu formulieren und zu überwachen, hygienisch-mikrobiologische Untersuchungen durchzuführen, die Hygiene­kommis­sion zu leiten, usw. Bei kleineren Einrichtungen wird ein externer Krankenhaus­hygieniker bestellt. Größere Einrichtungen mit mehr als 450 Betten sollten einen hauptamtlichen Krankenhaus­hygieniker beschäftigen. Die Tätigkeit des Krankenhaushygienikers darf nur von einem Arzt für Hygiene oder (bei Weiterbildung in der Krankenhaushygiene von mindestens 18 Monaten) von einem Arzt für medizinische Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie ausgeübt werden.

Allgemeine Hygieneanforderungen

Als allgemeine Hygieneanforderung gilt:

  • Alle Personen, welche die erwähnten Tätigkeiten berufs- oder gewerbsmäßig ausüben, müssen die allgemein anerkannten Regeln der Hygiene beachten.
  • Die Hygienemaßnahmen müssen bei allen Patienten/Kunden angewandt werden.
  • Blut und andere Körperflüssigkeiten müssen immer als infektiös betrachtet
  • Alle möglichen Übertragungswege müssen in die Hygienemaßnahmen einbezogen werden: Hände, Instrumente und andere Gegenstände, Arbeits- und Ablageflächen, Textilien, usw.
  • Instrumente und andere Gegenstände, die für den einmaligen Gebrauch bestimmt sind (Beispiel: Einmalhandschuhe), dürfen nur für einen Patienten/Kunden verwendet werden.

Spezielle Hygieneanforderungen

Tätigkeiten, welche Haut oder Schleimhäute verletzen oder höchstwahrscheinlich verletzen könnten, verlangen spezifische Hygienemaßnahmen:

  • Gründliche Händereinigung mit anschließender Desinfektion der Hände
  • Desinfektion der zu behandelnden Haut-/Schleimhautstellen
  • Tragen von Einmalhandschuhen
  • Verwendung von sterilen Geräten / Werkzeugen
  • Desinfektion und Sterilisation von mehrfach verwendbaren sterilen Geräten / Werkzeugen
  • Arbeitsbereiche mit leicht zu reinigenden und desinfizierenden Oberflächen
  • Sichere Entsorgung von Abfällen (Gefahr infizierender Verletzungen bei spitzen/scharfen Gegenständen)

Was ist ein Hygieneplan und wie ist er aufgebaut?

Hygienepläne sind innerbetriebliche Weisungen, welche im Detail regeln, welche Vorgaben zur Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen einzuhalten sind.

Rechtliche Grundlage (H3)

Nach § 36 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) sind Hygienepläne Pflicht. Konkrete Vorschriften über Aufbau und Inhalt macht das IfSG nicht; diese sind aber in den Vorgaben zum Arbeitsschutz bzw. in den „Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe” (TRBA) 250 zu finden.

Typischer Aufbau eines Hygieneplanes:

GefährdungsanalyseHier wird umschrieben, für wen bei welcher Tätigkeit einschlägige Risiken entstehen. Wichtig ist ein 360°-Blick, der nicht nur die Patienten, sondern auch Pflegekräfte, Ärzte, Betriebspersonal und Besucher miteinbezieht. Gefährdungen können sich aus dem benutzten Arbeitsmaterial, aus der Tätigkeit und aus Fehlverhalten ergeben.
RisikobewertungNicht jedes Risiko muss mit gleicher Intensität bekämpft werden. Der Hygieneplan muss definieren, welche Risiken als erheblich und welche als gering zu gelten haben.
MaßnahmenAus der Risikobewertung leitet sich direkt das Maßnahme-Paket ab. Hygienemaßnahmen, die hier festgelegt werden, beziehen sich auf Basishygiene, Personalhygiene, das Einhalten von Hygienevorschriften bei pflegerischen und behandelnden Tätigkeiten, die Lebensmittelhygiene, die Wäsche-Hygiene und Entsorgungsvorschriften.
Maßnahmen-EvaluationRegeln, die nicht überwacht werden, sind nutzlos. Deshalb muss der Hygieneplan auch das Wer, Wann, Was, Wie der Kontrolle festlegen, ebenso die Konsequenzen bei negativen Kontrollergebnissen.
SchulungsmaßnahmenIm Hygieneplan wird festgelegt, welche Zielgruppen zu welchen Inhalten wie häufig geschult werden.

Diverse Bundesländer und einige Institutionen bieten Rahmenhygienepläne für Pflegedienste an. Solche Rahmenpläne sind hilfreich beim Verfassen des Hygieneplanes.

Hygieneverordnung als Grundvoraussetzung

Die Hygieneverordnung ist das wichtigste Regelwerk auf Länderebene. Sie legt fest, welche organisatorischen Maßnahmen zur Sicherung der Hygiene ergriffen werden müssen. Einzelne Verordnungen definieren darüber hinaus Mindest-Standards, welche für alle Berufsgruppen gelten, welche hygienesensitive Tätigkeiten ausüben. Dazu zählen nicht zuletzt Pflegefachkräfte, welche in einen sehr engen Kontakt mit den von ihnen betreuten Menschen kommen. Entscheidend ist letztlich aber nicht die Verordnung selbst, sondern der Hygieneplan der Einrichtung – und dessen konsequente Umsetzung.