- Warum benötigt es eine Sturzprophylaxe in der Pflege?
- Definition: Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege
- Präambel zum Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege
- Wer ist die Zielgruppe beim Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege?
- Was ist die Zielsetzung des Expertenstandards Sturzprophylaxe in der Pflege?
- Wie funktioniert die Anwendung des Expertenstandards Sturzprophylaxe in der Pflege?
- Was sind Risikofaktoren für Stürze laut Expertenstandard Sturzprophylaxe?
- Voraussetzung für die Implementierung des Expertenstandards
- Expertenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege” (Auszug)
- Fort- & Weiterbildungen für Pflegefachkräfte zur Sturzprophylaxe
- Maßnahmen zur Sturzprophylaxe in der Pflege
- Fragebogen: Audit Expertenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege”
- Fazit: Expertenstandard Sturzprävention
Stürze älterer Menschen sind keine unübliche Situation. Schätzungsweise stürzen etwa ein Drittel der Menschen, die älter als 65 Jahre alt sind, jährlich mindestens einmal. Um diese Situation und die Sturzfolgen zu verhindern, gibt es die sogenannte Sturzprophylaxe in der Pflege. Im Folgenden wird das Thema detailliert geklärt.
Warum benötigt es eine Sturzprophylaxe in der Pflege?
Die Sturzprophylaxe dient der Vorbeugung von Stürzen. Durch bestimme Maßnahmen soll das Sturzrisiko aktiv reduziert werden. Zu solchen Maßnahmen zählen unter anderem beispielsweise Übungen, um das Gleichgewicht zu verbessern bzw. die Muskulatur zu verstärken. Aber auch die Beratung des Betroffenen und dessen Angehörigen steht im Vordergrund der Sturzprophylaxe. Außerdem werden Betroffene im richtigen Umgang mit Hilfsmitteln wie Hüftprotektoren oder Haltegriffen geschult sowie beraten.
Weiterhin reicht die Sturzprophylaxe auch in den Bereich der aktiven Vermeidung von Gefahren im unmittelbaren Umfeld und im Bewegungsradius der potenziell Sturzgefährdeten. Beispielsweise wird hier auf die Tücken von rutschigen Treppen oder umgeklappten Teppichkanten als Stolperfallen aufmerksam gemacht. Zu beliebten Auslösern für Stürze zählen aber auch Kabel von Telefon oder Fernsehgerät oder andere Obstakel wie Möbel oder herumlaufende Haustiere. All dies wird von der Sturzprophylaxe miteinbezogen.
Wie häufig sind Stürze im Alter?
Die Zahlen der Stürze im Alter sind alarmierend. Bei den über 65-Jährigen sind es stolze 30 %, die in zwei Jahren mindestens einmal stürzen. Bei Menschen von über 80 Jahren sind die Zahlen und damit einhergehend die Sturzgefahr noch gravierender. Aus dieser Gruppe stürzen mehr als 40 % jährlich mehrfach. Diese Zahlen gelten ebenfalls für Senioren mit chronischen Erkrankungen und geistigen Behinderungen.
Bei den über 90-Jährigen erschrecken die Zahlen wohl am meisten. Über die Hälfte stürzt hier mindestens einmal im Jahr. Da kommt die Frage auf, was genau als Sturz definiert ist.
Was bedeutet ein Sturzereignis im Leben eines Menschen?
Ein Sturzereignis hat oft nicht nur körperliche Folgen. Neben schweren und oft sehr unglücklichen Brüchen sowie anderen Verletzungen als Sturzfolge bringt eine Sturzerfahrung für den Betroffenen häufig schwerwiegende psychologische Folgen mit sich. Oft werden Betroffene vorsichtig bzw. vermeiden gar das Laufen oder schränken ihren Bewegungsradius ein, um die Sturzgefahr selbst zu reduzieren.
Nach der Genesung, die im Alter häufig mehr Zeit in Anspruch nimmt und bereits zu Komplikationen führen kann, kommen weitere Komplikationen hinzu, die auf die Angst vor weiteren Stürzen der Betroffenen zurückzuführen sind. Diese Angst führt bei Betroffenen häufig zu Vermeidung bzw. Verweigerung. In den Köpfen der Betroffenen macht es Sinn, sich nach einem Sturz vorsichtig zu verhalten, was dazu führt, dass sich die Betroffenen nicht mehr oder nur noch wenig aus dem Haus trauen.
Das führt wiederum dazu, dass sich die Betroffenen weniger bewegen und die Muskulatur und dementsprechend auch die Balance, welche beide von enormer Wichtigkeit sind, wenn es darum geht Stürze zu vermeiden, schwinden dahin.
All dies hat eine Vereinsamung zur Folge. Die Tätigkeiten und der gesamte Bewegungsradius sind eingeschränkt, die Betroffenen entmutigt. Es entsteht ein Teufelskreis, der den Gesundheitszustand in vielen Fällen weiter verschlechtert. Es scheint so, als wäre die aus einer Sturzfolge entstehende Angst vor einem weiteren Sturz in einigen Fällen fast fataler als der Sturz selbst.
Definition: Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege
Im vorliegenden Expertenstandard ist mit Sturzrisiko grundsätzlich das erhöhte Sturzrisiko gemeint, das über das alltägliche Risiko zu stürzen, hinausgeht. In Anlehnung an die WHO (2007) wird im Expertenstandard folgende Definition zugrunde gelegt:
„Ein Sturz ist jedes Ereignis, in dessen Folge eine Person unbeabsichtigt auf dem Boden oder auf einer anderen tieferen Ebene aufkommt.“
Hiermit sind auch Stürze gemeint, in deren Folge die Betroffenen den Boden oder die tiefere Ebene nicht mit dem ganzen Körper berühren, sondern dort auch beispielsweise sitzen oder hocken. Häufig kann im Beisein von Pflegefachkräften ein Sturz soweit abgefangen werden, dass es nicht zu einer Berührung des Körpers mit dem Boden kommt. Diese „Beinahestürze“ geben wichtige Hinweise auf zugrunde liegende Risikofaktoren, wie eine beeinträchtigte Balance oder eine orthostatische Hypotonie, wie z.B. nach dem Aufstehen. Die Expertenarbeitsgruppe hat sich darauf geeinigt, dass Beinahestürze nicht als Stürze zu definieren sind, aber im pflegerischen Alltag im Rahmen der Risikoeinschätzung berücksichtigt werden sollten.
Der Expertenstandard in der Sturzprophylaxe ist dabei in sechs Ebenen untergliedert. Durch den Expertenstandard vom DNQP werden nicht nur Handlungsanweisungen vermittelt, sondern auch Aktuelles aus der Pflegewissenschaft. All dies soll der Qualität in der Pflege und schließlich den Betroffenen zugutekommen. Beinhaltet im Expertenstandard sind bestimmte Maßnahmen und Pflegeleitlinien, die Stürze verhindern sollen.
Präambel zum Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege
Jeder Mensch hat ein Risiko zu stürzen, sei es durch Unachtsamkeit oder bei einer sportlichen Betätigung. Über dieses alltägliche Risiko hinaus gibt es aber Stürze, deren Ursache im Verlust der Fähigkeit zur Vermeidung eines Sturzes liegt und häufig Folge einer Verkettung und Häufung von Risikofaktoren sind. Den betroffenen Patienten oder Bewohnern, überwiegend ältere Menschen oder Menschen mit reduzierten Allgemeinzustand, gelingt es nicht mehr, den Körper in Balance zu halten, oder ihn bei Verlust des Gleichgewichts wieder in Balance zu bringen bzw. Sturzfolgen durch intakte Schutzreaktionen zu minimieren. Physische Auswirkungen von Stürzen reichen von schmerzhaften Prellungen über Verletzungen, Wunden, Verstauchungen und Frakturen bis hin zum Tod. Psychische Folgen können vom Verlust des Vertrauens in die eigene Mobilität über die Einschränkung des Bewegungsradius bis hin zur sozialen Isolation führen.
Wer ist die Zielgruppe beim Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege?
Der Expertenstandard richtet sich in erster Linie an die Betroffenen. Diese sollen von einer erhöhten Qualität in der Pflege profitieren. Damit verbunden sind natürlich auch die Angehörigen der Betroffenen. Auch diesen soll nützliches Wissen mitgegeben werden, was dabei helfen soll, weitere Stürze der Betroffenen zu vermeiden und die Sturzgefahr grundsätzlich zu senken.
Die Forschung hat gängige Risikofaktoren identifiziert, die teilweise schnell und recht einfach beseitigt werden können. Den Angehörigen wird dieses Wissen weitergegeben, damit diese in dem Bereich geschulter werden und mögliche Gefahren für die Betroffenen erkennen und aus dem Weg räumen können. So können Angehörige und Betroffene profitieren.
An die Pflegefachkräfte richtet sich der Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege natürlich in der anzuwendenden Form als Pflegeleitlinie. Diese erhalten qualitativ hochwertigeres Wissen aus der Wissenschaft. Somit werden die Pflegefachkräfte durch den Standard besser geschult und erhalten Expertenwissen, das wiederum den Betroffenen zugutekommt.
Hierbei sind explizit alle Altersgruppen gemeint sowie spezifische Gruppen, zum Beispiel Menschen mit Behinderungen. Aufgrund der Studienlage lässt sich ableiten, dass sich die im Standard beschriebenen Sturzrisikofaktoren auch auf Kinder oder Personen mit Behinderungen beziehen lassen. Die limitierte Anzahl an Interventionsstunden lässt allerdings bezüglich letztgenannter Personengruppen keine spezifischen Schlussfolgerungen zu sturzprophylaktischen Maßnahmen zu.
Was ist die Zielsetzung des Expertenstandards Sturzprophylaxe in der Pflege?
Der Expertenstandard hat zum Ziel, Pflegefachkräfte sowie Pflege- und Gesundheitseinrichtungen dabei zu unterstützen, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Expertenmeinungen, Stürzen vorzubeugen und Sturzfolgen zu minimieren. Dieses Ziel ist allerdings nicht durch eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit zu erreichen, sondern vielmehr durch die Erhaltung bzw. Wiederherstellung einer größtmöglichen, sicheren Mobilität von Patienten/Bewohnern, verbunden mit einer höheren Lebensqualität. Die Expertenarbeitsgruppe spricht sich daher gegen jegliche Form freiheitsentziehender Maßnahmen zum Zwecke der Sturzprophylaxe aus.
Dabei wird häufig auch der Umgang mit Hilfsmitteln wie Haltegriffen oder dem Rollator vertieft. Die Planung von Maßnahmen, wie beispielsweise ein Trainingsprogramm oder das Beseitigen von Hindernissen bzw. Stolperfallen in der Umgebung eines Betroffenen, sind weitere Ziele des Standards vom DNQP.
Wie funktioniert die Anwendung des Expertenstandards Sturzprophylaxe in der Pflege?
Sturzprophylaxe in der Pflege: Identifikation der Sturzrisikofaktoren
Bei der ersten Ebene des Expertenstandards geht es hauptsächlich um das Fachwissen in Bezug auf Stürze und Sturzprophylaxe. Die Pflegefachkraft muss hier gut informiert sein, da sich die Betroffenen und deren Angehörige bei Fragen oftmals an die Pflegefachkräfte wenden. Dazu sollte diese immer auf dem aktuellsten Stand in Bezug auf Wissenschaft und Praxis sein.
Es ist zum Beispiel wichtig, dass die Pflegefachkraft über die Umstände, die zu einem Sturz führen können, Bescheid weiß. Sie sollte also ausreichend über die verschiedenen Risikofaktoren und Sturzgefahren informiert sein. Dabei ist es wichtig, dass die Pflegefachkraft sich bewusst darüber ist, dass Stürze durch mehrere Ursachen ausgelöst werden können. Auch die Methoden, die genutzt werden, um das Sturzrisiko eines Bewohners bzw. Patienten beurteilen zu können, sollte die Pflegefachkraft beherrschen.
Hierbei eignet sich die Aufnahme eines neuen Bewohners bzw. Patienten am besten, um das Sturzrisiko abzuklären. Die Angehörigen spielen eine wichtige Rolle, denn sie können den Betroffenen häufig aus einer anderen Perspektive beurteilen und somit eventuell ergänzende Aussagen in Bezug auf das Sturzrisiko des Betroffenen tätigen. All dies wird genutzt, um die notwendigen Maßnahmen rechtzeitig einleiten zu können. Dabei sollte von der Pflegefachkraft unbedingt die Vorgeschichte des Betroffenen beachtet werden.
Beratungskompetenz über Sturzrisikofaktoren & Sturzvermeidung
Die zweite Ebene beschäftigt sich mit dem Bereich der Beratung. Diese ist ebenfalls Aufgabe der Pflegefachkräfte. Dabei übernehmen diese viele verschiedene Tätigkeiten. Beispielsweise gehört dazu auch das Motivieren der Bewohner. Den Betroffenen soll hier der Ansporn für körperliche Bewegung mitgegeben werden. Zusätzlich dazu übermittelt die Pflegefachkraft die Vorteile einer hohen Selbstpflegefähigkeit bei den Betroffenen.
In dieser Hinsicht werden den Betroffenen von der Pflegefachkraft ebenfalls Informationen darüber vermittelt, wie man einen selbstbestimmten Alltag bewältigt. Weiterhin ist es Aufgabe der Pflegefachkraft, den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Lebensqualität aufzuzeigen. Hier kann auch das Thema Mobilität angesprochen werden.
Auswahl geeigneter Maßnahmen zur Sturzvermeidung
Bei dieser Ebene des Expertenstandards geht es um die Maßnahmen, die der Expertenstandard in der Pflege vorschlägt. Hier ist es für die Pflegefachkräfte wichtig zu wissen, welche Maßnahmen es gibt und was diese beinhalten. Ziel ist es, dass die Pflegefachkraft die für einen Betroffenen am besten passende Maßnahme findet und diese schließlich mit dem Betroffenen anwenden kann. Es gilt die Wünsche des Betroffenen zu beachten.
Weiterhin ist es die Aufgabe der Pflegekraft, dem Betroffenen den Nutzen bzw. potenziellen Schaden jener Maßnahme aufzuzeigen. Hier sollten keine falschen Erwartungen geweckt werden.
Maßnahmen zur Reduzierung des Sturzrisikos:
- Einzelmaßnahmen: Diese beinhalten beispielsweise die Anpassung der Wohnungsumgebung oder Kraft- und Balancetraining.
- Maßnahmenpakete: Diese kombinieren mehrere Einzelmaßnahmen. So soll eine Vielzahl von Sturzrisiken abgedeckt bzw. verhindert werden.
- „Selbstverständliche” Maßnahmen: Beinhaltet in dieser Maßnahme sind Dinge wie das Pflegebett auf eine für den Betroffenen passende Höhe einzustellen. Auch das Herstellen einer angemessenen Beleuchtung gehört zu dieser Maßnahme dazu. Aufgrund ihrer Selbstverständlichkeit werden diese Aufgaben leicht übersehen, auch wenn sie von hoher Wichtigkeit sind. Hier sollte die Pflegefachkraft unbedingt achtsam sein!
Ebene vier: Die Umsetzung des Maßnahmenplans
Hier geht es darum, für Bewohner passende Maßnahmenpläne zu erstellen. Auf individuelle Wünsche sowie die Bedürfnisse der Betroffenen sollte bei der Erstellung solch eines Plans eingegangen werden. Es liegt im Aufgabenbereich der Pflegefachkraft, diese Maßnahmen zu planen und umzusetzen.
Dabei ist es auch wichtig, dass diese frühzeitig in Kontakt mit den Kostenträgern tritt. Häufig wird dabei von der Pflegefachkraft auch die Kostenübernahme der Hilfsmittel angesprochen. Weitere Maßnahmen sind zum Beispiel das Abklären und Beseitigen von Mängeln in der Umgebung des Betroffenen. Hier muss Kontakt mit den entsprechenden Stellen aufgenommen und die Beseitigung der Mängel anschließend kontrolliert werden.
Im häuslichen Bereich hat die Pflegefachkraft ebenfalls einige Aufgabenbereiche. Es geht hier darum den Betroffenen mögliche Gefahrenquellen aufzuzeigen. Dabei kann zum Beispiel eine Kontaktaufnahme mit einer Wohnberatungsstelle oder beispielsweise dem Hausarzt notwendig werden. Generell liegt die Koordination der an der Pflege beteiligten Personen an der Pflegefachkraft. Die Umsetzung allerdings ist allein Aufgabe des Betroffenen bzw. dessen Angehörigen.
Informieren über das Sturzrisiko
Bei dieser Ebene geht es darum, dass die verschiedenen Einrichtungen den Wohn- und Pflegebereich auf Grundlage des Expertenstandards anpassen. Beispielsweise wird es notwendig einen Raum, in dem das Muskeltraining stattfinden kann, zu schaffen.
Außerdem ist es von Bedeutung, Platz für Veranstaltungen, in denen die Informationen weitergegeben werden, zu haben. Hier obliegt es jeder Einrichtung selbst, wie die entsprechenden Informationen an die Bewohner weitergegeben werden. Ob in kleinen Workshops oder in Form von Flyern ist hier erst einmal zweitrangig. Wichtig ist, dass die Bewohner auf dem neuesten Stand gehalten werden. Auch die verschiedenen Berufsgruppen müssen alle koordiniert und auf dem neuesten Stand gehalten werden.
Evaluierung: Die systematische Erfassung und Analyse aller Stürze
Um Aussagen über die Wirksamkeit der offerierten Maßnahmen treffen zu können, ist eine Analyse aller Stürze vorzunehmen. Hier macht die Erfassung der Stürze den Anfang. Wenn diese nicht erfasst werden, können keinerlei Schlüsse aus den verschiedenen Maßnahmen gezogen werden. Man weiß also nicht, ob mit einer bestimmten Maßnahme tatsächlich ein Rückgang der Stürze in Verbindung zu bringen ist.
Die Pflegekraft muss nach jedem Sturz handeln. Dabei stehen drei Fragen im Vordergrund. Erstens müssen die Gründe für den Sturz geklärt werden. Im Anschluss daran muss die Pflegefachkraft klären, warum der Bewohner bzw. Patient sturzgefährdet ist. Dabei wird schließlich auch erörtert, wie dies in Zukunft verhindert werden kann.
Bei der Dokumentation des Sturzes sind weiterhin folgende Aspekte zu beachten:
- Zeitpunkt des Sturzes
- Situationsbeschreibung
- Aktivitäten vor dem Sturz
- Ort des Sturzes
- Zustand vor dem Sturz
- Folgen des Sturzes (Verletzungen etc.)
- Eingeleitete Folgemaßnahmen
- Allgemeine Angaben
Was sind Risikofaktoren für Stürze laut Expertenstandard Sturzprophylaxe?
Risiken für Stürze gibt es viele. Der Expertenstandard unterscheidet hier zwischen personenbezogenen, medikamentenbezogenen und umgebungsbezogenen Faktoren. Diese sollen im Folgenden ausführlich beschrieben werden.
Personenbezogene Risikofaktoren für Stürze
Personenbezogene Risikofaktoren beschreibt Eigenschaften, die die sturzgefährdete Person hegt. Hier werden alle körperlichen Veränderungen, die das Gehen oder Stehen in irgendeiner Art und Weise negativ beeinflussen, abgedeckt. Zentral bei dieser Kategorie der Risikofaktoren ist die Abnahme der Muskelkraft der Betroffenen, die oftmals den Verlust der Balance bedeutet. Beispielsweise sind Betroffene durch eine lange Phase der Bettlägerigkeit geschwächt. Aber auch der Mangel an körperlicher Bewegung kann hier für den Abbau der Muskulatur verantwortlich sein.
Was es auch ist, die Betroffenen leiden in diesen und anderen Fällen unter einer schwachen Muskulatur. Dies kann, besonders an den Extremitäten, schwere Folgen haben, wenn es darum geht Stürze zu verhindern.
Neben diesen Beeinträchtigungen funktioneller oder sensomotorischer Fähigkeiten gibt es weitere personenbezogene Risikofaktoren. Beispielsweise sind Krankheiten wie eine Depression oder Demenz weitere Risikofaktoren. Verantwortlich für die Einstufung als erhöhtes Sturzrisiko sind dabei die mit den Krankheiten einhergehenden verlangsamten Denkprozesse bei den Betroffenen. Auch die längere Reaktionszeit, was äußere Reize angeht, spielt beim Thema Sturz eine große Rolle.
Es gibt aber durchaus viele weitere Gesundheitsstörungen bzw. kognitive Beeinträchtigungen, die sich negativ auf den sicheren Gang und Stand eines Betroffenen auswirken.
Zu den personenbezogenen Risikofaktoren gehören weiterhin Sturzangst und Stürze in der Vergangenheit. Wer einmal stürzt ist nämlich statistisch gefährdet, ein weiteres Mal zu stürzen. Das liegt unter anderem an den psychischen Bedenken, die bei vielen Betroffenen durch einen Sturz ausgelöst werden. Weitere personenbezogene Risikofaktoren sind beispielsweise Kontinenz- und Sehbeeinträchtigungen.
Medikamentenbezogene Risikofaktoren laut Expertenstandard
Die medikamentenbezogenen Risikofaktoren behandeln Medikamente, die das Sturzrisiko erhöhen. Forschungen haben bestimmte Medikamente identifiziert, die eben genau dies tun. In erster Linie sind das Medikamente, die in die Psyche des Menschen eingreifen. Sogenannte Psychotrope Medikamente sind hierfür ein Beispiel. Dazu gehören auch Schlaf- und Beruhigungsmittel sowie Antidepressiva.
Die andere Medikamentengruppe, denen nachgesagt wird, ein erhöhtes Sturzrisiko zu verursachen, sind blutdrucksenkende Mittel. Antihypertensiva sollen sich auch negativ auf den Gang und Stand der Betroffenen auswirken. Das kommt bei all diesen Medikamenten durch die Nebenwirkungen, die bei Einnahme einhergehen können, zustande. Schwindel, Muskelschwäche oder Muskelkrämpfe sind einige dieser Nebenwirkungen. Diese sind dann dafür verantwortlich, dass sich das Sturzrisiko erhöht. Auch die Einnahme mehrerer Medikamente, beispielsweise im Rahmen des Schmerzmanagements, erhöht das Sturzrisiko.
Sturzprophylaxe in der Pflege: umgebungsbezogene Risikofaktoren erkennen
Bei den umgebungs- bzw. umweltbezogenen Risikofaktoren geht es um Faktoren, die von außen auf die Betroffenen einwirken und deren Sturzrisiko erhöhen. Dies kann sich in der Wohnung bzw. im Haus des Betroffenen abspielen, aber auch auf der Straße oder an anderen Orten, an denen sich die betroffene Person aufhält. Oft sind es Hindernisse, die den Betroffenen dann zu Fall bringen. Besonders berüchtigt sind die vorhin bereits angesprochenen umgeschlagenen Teppichkanten. Auch Kabel von TV oder Fernseher sind besonders tückische Stolperfallen.
Schlechte Kontraste und eine schwache Beleuchtung fördern das Ganze noch. Ein weiterer Risikofaktor ist ein inadäquates Schuhwerk. Sind die Schnürsenkel offen oder ist gar der gesamte Schuh kaputt, stellt dies eine unnötige Gefahr dar. Drückendes oder zu kleines Schuhwerk ruft hier ähnliche Probleme hervor. Betroffene sollten bei jedem Schritt sicher sein und da ist es klar, dass ein unangepasstes Schuhwerk, etwas das die Betroffenen Tag für Tag an sich tragen, schnell zu Problemen führen kann.
Voraussetzung für die Implementierung des Expertenstandards
Voraussetzung für die erfolgreiche Implementierung des Expertenstandards Sturzprophylaxe in den Einrichtungen ist die gemeinsame Verantwortung der leitenden Managementebene und der Pflegefachkräfte. Notwendige strukturelle Voraussetzungen, z. B. das Angebot von Fortbildungen für Pflegefachkräfte und hauseigenen Interventionen oder die Umsetzung von Umgebungsanpassungen in stationären Einrichtungen, sind von der leitenden Managementebene (Betriebsleitung und Pflegemanagement) zu gewährleisten.
Die Aufgabe der Pflegefachkraft besteht im Erwerb aktuellen Wissens, um Patienten/Bewohner mit einem erhöhten Sturzrisiko identifizieren und entsprechende Interventionen einleiten zu können sowie bei Bedarf zusätzliche notwendige Strukturen einzufordern und fachlich begründen zu können.
Die berufsübergreifende Zusammenarbeit, beispielsweise mit den therapeutischen Berufsgruppen oder den Ärzten, ist maßgeblich für ein effektives Interventionsangebot. Auf der Grundlage der jeweiligen professionsspezifischen Qualitätsinstrumente (z.B. Leitlinien, Standards) können dann gemeinsame Vorgehensweisen vereinbart werden. Der konsequente Einbezug sowie eine umfassende Information der beteiligten Berufsgruppen ist dafür eine wesentliche Voraussetzung.
Expertenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege” (Auszug)
Deutsches Netzwerk für Qualitätssicherung in der Pflege (DNQP)
Standardaussage:
„Jeder Patient / Bewohner mit einem erhöhten Sturzrisiko erhält eine Sturzprophylaxe, die Stürze verhindert oder Sturzfolgen mindert.”
Begründung:
„Stürze stellen insbesondere für ältere und kranke Menschen ein hohes Risiko dar. Sie gehen mit schwerwiegenden Einschnitten in die bisherige Lebensführung einher, die von Wunden und Frakturen über Einschränkung des Bewegungsradius infolge verlorenen Vertrauens in die eigene Mobilität bis hin zum Verlust einer selbstständigen Lebensführung reichen. Durch rechtzeitige Einschätzung der individuellen Risikofaktoren, eine systematische Sturzerfassung, Information und Beratung von Patienten / Betroffenen und Angehörigen sowie gemeinsame Maßnahmenplanung und Durchführung kann eine sichere Mobilität gefördert werden.”
Fort- & Weiterbildungen für Pflegefachkräfte zur Sturzprophylaxe
Fort- und Weiterbildungen stehen bei Pflegefachkräften an der Tagesordnung. Dabei wird aktuelles Wissen vermittelt, denn neue Erkenntnisse in dem Bereich werden kontinuierlich entwickelt. Gerade die Angehörigen sind besonders interessiert. Sie wollen den Betroffenen in ihrem Umfeld natürlich helfen und weitere Stürze sowie die Sturzfolgen vermeiden. Es ist also Pflicht der Pflegefachkräfte auf dem neuesten Stand zu sein und das Wissen weiterzugeben bzw. bei Fragen zur Verfügung zu stehen.
Auch praktisches Wissen wird bei den Fort- und Weiterbildungen vermittelt. Dies geschieht hierbei auf Basis des Hamburger und Ulmer Modells.
Beschreibung der beiden Modelle:
- Das Hamburger Modell befasst sich dabei mit der Sturzprophylaxe von Bewohnern eines Pflegeheims. Durchschnittlich 50 % der Bewohner solch einer Einrichtung stürzen mindestens einmal jährlich. Es ist Aufgabe der Pflegefachkraft nicht nur neueste Informationen zu übermitteln, sondern auch eine motivierende Rolle einzunehmen. Es wird Fachwissen rund um Hilfsmittel wie Hüftprotektoren vermittelt und geschult, die Akzeptanz dieser Protektoren zu steigern. Bei dem allseits gefürchteten Oberschenkelhalsbruch kann solch ein Protektor durchaus Schlimmeres verhindern und ein aufwändiges Schmerzmanagement ersparen.
- Der Fokus des Ulmer Modells liegt auf Trainingsprogrammen, die Muskelkraft und Balance der Betroffenen stärken sollen. Nicht nur Muskelkraft, sondern auch Gleichgewicht wird hier mit speziellen Übungen gefördert. Die Pflegefachkraft muss hier das Wissen aufnehmen und den Betroffenen weitergeben. Auch andere pflegebegleitende Maßnahmen werden in dem Ulmer Modell abgedeckt. Beispielsweise wird die Wichtigkeit einer standardisierten Sturzdokumentation als Teil einer Pflegeleitlinie aufgezeigt.
Maßnahmen zur Sturzprophylaxe in der Pflege
Passend zu den Risikofaktoren gibt es im Expertenstandard in der Sturzprophylaxe vielerlei Maßnahmen, die diesen Risiken entgegenwirken sollen. Diese werden im Folgenden vorgestellt.
Personenbezogene Maßnahmen zur Sturzprophylaxe
Die wohl wirkungsvollste personenbezogene Maßnahme ist Muskel- bzw. Balancetraining. Hier wird mit verschiedenen Übungen versucht, die Muskelkraft der Betroffenen zu stärken. Diese ist nämlich bei der Sturzprophylaxe von besonderer Bedeutung. Gerade an den Extremitäten sind starke Muskeln wichtig. Damit können sich die Betroffenen im Fall der Fälle besser halten und so möglicherweise einen Sturz verhindern.
Übungen können auch im Sitzen durchgeführt werden, die Pflegefachkraft kann hier assistieren. Es geht also bei den Übungen auch um das Thema Mobilität bzw. Mobilität steigern. Weitere Informationen dazu liefert auch der Expertenstandard Erhalt und Förderung der Mobilität.
Eine weitere personenbezogene Maßnahme ist das Anpassen von Medikamenten. Die erwähnten sturzrisikoerhöhenden Medikamente sollten so weit vermieden werden, wie möglich. Zum Beispiel kann relativ einfach auf Schlaf- bzw. Beruhigungsmittel verzichtet werden. Diese sind häufig medizinisch nicht so relevant wie zum Beispiel ein blutdrucksenkendes Mittel, dass bei Nichteinnahme zu erheblichen gesundheitlichen Folgen führen kann.
Schaffung einer barrierefreien Umgebung zur Sturzprophylaxe
Diese Maßnahme beschreibt, wie die Umwelt bzw. Umgebung der Betroffenen so ausgerichtet werden kann, dass das Sturzrisiko möglichst minimal gehalten wird. Man achtet hier auf scheinbar offensichtliche Dinge, wie das Vermeiden von freiliegenden Kabeln in der Wohnung des Betroffenen. Angehörige können den Betroffenen hier helfen und zusammen eine barrierefreie Umgebung schaffen.
Aber auch Pflegefachkräfte müssen hier aktiv werden und die Zimmer ihrer Bewohner sorgfältig begutachten. Teppiche sollten generell vermieden werden, da sie ein unnötiges Risiko darstellen. Es sollte an dieser Stelle aber auch für eine gute Beleuchtung gesorgt werden. Gerade wenn die Bewohner nachts das stille Örtchen besuchen möchten, muss für eine entsprechend helle Beleuchtung gesorgt werden, da es sonst schnell zu Stürzen kommen kann.
Hilfsmittel zur Sturzprophylaxe in der Pflege
Im genannten Beispiel, in dem Bewohner einer Pflegeeinrichtung nachts aufstehen, um zur Toilette zu gehen, gibt es weitere Maßnahmen, die helfen sollen, Stürze zu vermeiden. Hier kommen sogenannte Bettalarmsysteme zum Einsatz. Diese können an Bett sowie an Sesseln montiert werden und verraten der Pflegefachkraft, wenn ein Bewohner aufsteht. Dann kann die Pflegefachkraft schnell handeln und dem Betroffenen Hilfestellungen anbieten. Haltegriffe vereinfachen darüber hinaus den selbständigen Prozess und sollten zum Standard zählen.
Des Weiteren gibt es Identifikationsarmbänder. Diese farblich auffälligen Armbänder sollen nicht nur den Pflegefachkräften verraten, dass der Träger des Armbandes sturzgefährdet ist, sondern auch dem Träger selbst. Gerade im Falle der bereits oben angesprochenen Demenz kann dies viele Vorteile mit sich bringen. Die Betroffenen werden daran erinnert, dass sie sturzgefährdet sind, was in der Theorie dazu führt, dass sie sich beispielsweise beim Toilettengang eben doch festhalten bzw. generell etwas wachsamer sind.
Fragebogen: Audit Expertenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege”
Der folgende Fragebogen dient zur Analyse der derzeitigen Pflegequalität und begleitet die Umsetzung des Expertenstandards zur Sturzprophylaxe in der Pflege.
Fazit: Expertenstandard Sturzprävention
Der Expertenstandard in der Sturzprophylaxe ist, wie jeder der weiteren Expertenstandards, dazu da, die Qualität der Pflege zu verbessern. Das allein ist bereits eine sehr sinnvolle Maßnahme. Dazu kommt, dass gerade in Bezug auf den demographischen Wandel eine Sturzprävention besonders sinnvoll erscheint.
Jährlich stürzen viele Menschen und besonders mit einem gehobenen Alter kommt dies umso häufiger vor. Betroffene erleiden neben den körperlichen auch oft seelische Konsequenzen. Der Expertenstandard geht auf all diese Faktoren ein und bietet Maßnahmen, die angenommen werden. Auch Angehörige profitieren hier vom Expertenstandard und nutzen dessen Vorteile.