Pflege-Neuausrichtungsgesetz: Ehrenamt fördern und die Versorgung verbessern

Ein Pfleger in einem blauen Kittel hält zwei Puzzleteile in die Kamera, die eine Wage und einen Haken zeigen.
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Das Thema Pflege beschäftigt Politik und Gesellschaft, schließlich wird die Gesellschaft immer älter und die Pflegebedürftigen werden immer zahlreicher. Besonders die Anzahl der Patienten mit Demenz steigt konstant an. Auch der Bedarf an Pflegekräften wächst dadurch stetig und schon jetzt kann von einem klaren Personalmangel in der Pflege gesprochen werden. Ehrenamtliche Hilfe ist dadurch umso wichtiger geworden und mittlerweile ein fester Bestandteil des Systems, da sie professionelle Pfleger sowie Angehörige entlastet.

Pflege-Neuausrichtungsgesetz: Ehrenamt und generelle Versorgung profitieren

Um eine angemessene Versorgung Pflegebedürftiger sicherzustellen, wird das Thema in der Politik regelmäßig neu aufgerollt. 1995 wurde die Pflegepflichtversicherung eingeführt, 2002 kam dann das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz und 2013 wurde dann das Pflege-Neuausrichtungsgesetz eingeführt. Nicht nur die Leistungen für Pflegebedürftige wurden dadurch verbessert, auch im Bereich Ehrenamt wurden finanzielle Zuschüsse durch die Pflegekassen zugesagt. 

Der Deutsche Bundestag hat das Pflege-Neuausrichtungsgesetz am 29. Juni 2012 beschlossen. Erste Teile des Gesetzes traten bereits zum 30. Oktober 2012 in Kraft, Stichtag für das vollständige Inkrafttreten des Gesetzes war der 01. Januar 2013. Die entscheidenden Inhalte des Pflege-Neuausrichtungsgesetz (PNG) sind eine Verbesserung der Leistungen für Demenzkranke in der ambulanten Versorgung sowie die Einführung einer staatlichen Zulage zu privaten Pflege-Zusatzversicherungen durch die Pflegekassen.

Ab 2015 wurde das PNG dann durch die Pflegestärkungsgesetze erweitert. 

Außerdem

Hilfreiche Informationen zum Pflegestärkungsgesetz II haben wir hier für Sie aufbereitet.

Pflege-Neuausrichtungsgesetz: Was sind die 7 wichtigsten Punkte?

1. Förderung betreuter Wohngruppen:

Eine gezielte Finanzierung zur Gründung von Wohngruppen und Wohngemeinschaften mit ambulanter Betreuung ist einer der wichtigsten Aspekte des Pflege-Neuausrichtungsgesetz. Wohngemeinschaften von mindestens drei Pflegebedürftigen, die aufgrund der gemeinschaftlich organisierten Versorgung zusammenleben, sollen Extra-Zuschüsse erhalten. 200 Euro im Monat gibt es pro Pflegebedürftigem, wenn eine Pflegekraft für die Wohngruppe zuständig ist, die nicht nur pflegerische, sondern auch organisatorische Aufgaben übernimmt. Nach Inkrafttreten des Gesetzes wurde neu gegründeten Wohngemeinschaften eine Förderung in Höhe von 2.500 Euro zugesagt. Maximal 10.000 Euro sollten in eine betreute Wohngruppe fließen. 30 Mio. Euro wurden für diese Förderung zur Verfügung gestellt. Weitere 10 Mio. Euro wurden für die wissenschaftliche Weiterentwicklung solcher Wohnformen bereitgestellt.

2. Anhebung des Beitrags zur Pflegeversicherung

Der Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung wurde im Zuge des PNG von 1,95 Prozent auf 2,05 Prozent angehoben. Kinderlose müssen seitdem sogar 2,3 Prozent abgeben. Das soll den Pflegekassen mehr finanziellen Spielraum geben.

3. Staatliche Förderung privater Versicherungen

Seit 2013 werden Personen, die zusätzlich zur gesetzlichen Pflegeversicherung noch eine private Zusatzversicherung abschließen mit fünf Euro pro Monat, also 60 Euro pro Jahr gefördert. Um diese Förderung der Pflegekassen zu erhalten, muss der selbst eingezahlte Beitrag mindestens so hoch sein wie der staatliche Zuschuss, also fünf Euro. Dieser Zuschuss ist unabhängig von der Höhe der Versicherungsprämie sowie unabhängig vom Einkommen des Versicherungsnehmers. Steuerliche Vorteile gibt es nicht. Diese Zulage wird auch „Pflege-Bahr“ genannt und wird dann gezahlt, wenn die Zusatzversicherung Leistungen für alle Pflegestufen abdeckt.

4. Mehr Pflegeleistungen für Demenzkranke

Dieser Punkt ist der Wichtigste des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes. Da die Zahl der Demenzkranken immer weiter ansteigt (zurzeit gibt es rund 1,7 Mio. Erkrankte, schon für 2030 wird mit 2,1 Mio. Erkrankten gerechnet) wurde beschlossen, den Betroffenen ab 2013 mehr Pflegegeld und höhere Sachleistungen durch die Pflegekassen zur Verfügung zu stellen.

Pflegegrad 0Im Pflegegrad 0 gab es seitdem 225 Euro für Pflegesachleistungen, wenn die Pflege und Betreuung durch einen Pflegedienst übernommen wird und 120 Euro Pflegegeld, wenn Angehörige pflegen. Vorher waren es 100 Euro Betreuungsgeld pro Monat oder 200 Euro bei einem erhöhten Bedarf. Auch für den barrierefreien Umbau der Wohnung bekommen Menschen mit Pflegestufe 0 seit 2013 Zuschüsse. Damals noch höchstens 2.557 Euro, mittlerweile bis zu 4.000 Euro.
Pflegegrad 1 und 2:Im Pflegegrad 1 stiegen die Leistungen von 450 Euro für Pflegesachleistungen auf 665 Euro und von 235 Euro Pflegegeld auf 305 Euro. 2016 wurden sie dann nochmal angehoben, auf 689 Euro für Pflegesachleistungen und auf 316 Euro Pflegegeld. Im Pflegegrad 2 ging es von 1.100 Euro für Pflegesachleistungen auf 1.250 Euro und von 440 Pflegegeld auf 525 Euro. Eine erneute Anpassung im Jahr 2016 führte zu 1.298 Euro für Pflegesachleistungen und 545 Euro Pflegegeld. Die Leistungen für die Pflegestufen 3, 4 und 5 wurden nicht angepasst.
VerhinderungspflegeAuch das Thema Verhinderungspflege wurde angegangen, um Regelungen zu finden, wenn pflegende Angehörige oder die Pflegeperson von Demenzkranken mit Pflegestufe 2 selber erkranken oder Urlaub machen. 2013 lagen die Zuschüsse zur Verhinderungspflege bei maximal 1.550 Euro für höchstens 28 Tage pro Jahr. Auch dieser Betrag wurde seit 2013 noch einmal angepasst und liegt aktuell bei 1.612 Euro für 28 Tage pro Jahr. Haben Demenzkranke in einem laufenden Jahr keine Kurzzeitpflege benötigt, kann der Zuschuss sogar bis zu 2.412 Euro betragen.

5. Verbesserte zahnärztliche Betreuung von Pflegebedürftigen

Die zahnärztliche Versorgung für Pflegebedürftige wurde ebenfalls im Pflege-Neuausrichtungsgesetz thematisiert. Sie sieht vor, dass Zahnärzte, die Pflegebedürftige oder Menschen mit Behinderungen im Rahmen von Hausbesuchen aufsuchen, eine zusätzliche Vergütung für ihre Leistung erhalten von den Pflegekassen. Vertragszahnärzte können sogar Kooperationsverträge mit Pflegeeinrichtungen schließen.

6. Wahlrecht für Pflegebedürftige

Neu war auch, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörige dank des PNG erstmals entscheiden konnten, ob die Pflege mit dem ambulanten Pflegedienst nach verrichteter Leistung abgerechnet wird oder nach Zeit. So ließ sich der persönliche Bedarf optimieren und die Kosten dadurch reduzieren. 

7. Informationspflicht für Pflegeeinrichtungen

Die Informationspflicht wurde ebenfalls im PNG behandelt. Dort ist festgehalten, dass Pflegeeinrichtungen die Bewohner und Angehörigen transparent darüber informieren müssen, wie die medizinische Versorgung der Einrichtung organisiert ist. Auch über die Versorgung mit Arzneimitteln muss ausreichend informiert werden. 

Pflege-Neuausrichtungsgesetz: Ehrenamt bekommt mehr Unterstützung

Neben all diesen Änderungen und Anpassungen der Pflegeleistungen für Pflegebedürftige, hat sich die Lage auch für Ehrenamtliche verändert. Seit der Einführung des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes wurde auch der Fokus auf die Förderung der ehrenamtlichen Arbeit verstärkt.

Da der Anteil an pflegebedürftigen Menschen in der Bevölkerung steigt, wird auch die Bedeutung ehrenamtlicher Helfer immer größer. Schließlich herrscht ein Personalmangel in der Pflege und insbesondere bei der Unterstützung von pflegenden Angehörigen sind Ehrenamtliche unheimlich wertvoll.

Stärkere finanzielle Förderung von Selbsthilfegruppen

Im Zuge des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes wurde daher auch die stärkere finanzielle Förderung von ehrenamtlicher Arbeit vorgesehen, wie zum Beispiel die finanzielle Unterstützung von Selbsthilfegruppen, Selbsthilfekontaktstellen sowie Selbsthilfeorganisationen. So wurden die Pflegekassen verpflichtet, pro Versichertem 10 Cent für den Auf- und Ausbau dieser Gruppen einzusetzen, wenn diese sich verpflichtet haben, sowohl Pflege- und Betreuungsbedürftige als auch deren Angehörige zu unterstützen.

Schließlich leisten diese Gruppen wichtige Arbeit für Angehörige, die den großen psychischen und physischen Belastungen der Pflege ausgesetzt sind und auch die Pflegebedürftigen selber können von diesen Organisationen profitieren.

Ehrenamt: Pflege-Neuausrichtungsgesetz sieht kostenlose Pflegekurse vor

Im Pflege-Neuausrichtungsgesetz wurde ebenfalls festgehalten, dass für ein Ehrenamt und die Betreuung in der stationären Pflege auch eine Aufwandsentschädigung gezahlt werden kann. Weiterhin ist gesetzlich festgelegt, dass Pflegekurse, die ehrenamtliche Helfer und Angehörige belegen können, um für die Herausforderungen der Pflege besser gewappnet zu sein, für sie unentgeltlich sein müssen. Schließlich leisten sie einen wertvollen Beitrag und entlasten das gesamte Pflegesystem sowie die professionellen Pflegekräfte, sodass eine Bezahlung dieses Kurses aus eigener Tasche nicht zumutbar ist und die einen kostenlosen Anspruch darauf haben müssen.

Kritik am PNG 

Kritiker bemängeln am PNG, dass es für Pflegebedürftige und ihre Angehörige immer noch hohe Eigenleistungen bedeutet, da die Versicherungen und Pflegekassen nach wie vor nur einen Teil der Kosten übernehmen. Auch wurde unmittelbar nach der Einführung des Gesetzes kritisiert, dass im Zuge dessen kein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff definiert wurde. In 2017 wurde dies nachgeholt, mit dem Pflegestärkungsgesetz 2, das unter anderem die Umstellung von Pflegestufe auf Pflegegrad vorsieht.