- Exkurs: Was ist Kurzzeitpflege, was ist Verhinderungspflege?
- Was sind die Voraussetzungen, um Verhinderungspflege in Anspruch nehmen zu können?
- Verhinderungspflege und Demenz
- Welchen Anspruch hat eine pflegebedürftige Person für die Verhinderungspflege?
- Für diese Leistungen können Sie Verhinderungspflege nutzen
- Gibt es eine Begrenzung, wie oft Verhinderungspflege genutzt werden kann?
- Verhinderungspflege beantragen – was ist zu beachten?
- Wie können die Kosten für die Verhinderungspflege abgerechnet werden?
- Muss Verhinderungspflege versteuert werden?
- Fazit: Verhinderungspflege – Flexible Unterstützung für pflegende Angehörige
Die häusliche Pflege von Angehörigen ist anstrengend und eine zeitfüllende Aufgabe. Doch was tun, wenn man selbst für eine gewisse Zeit ausfällt? Sei es durch eine eigene Erkrankung, eine berufliche bedingte Abwesenheit oder schlicht, weil man selbst eine Pause benötigt und in den Urlaub fahren möchte?
Für diese Problemstellung gibt es in der Pflegeversicherung zwei mögliche Lösungen: Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege.
Im folgenden Artikel wollen wir Ihnen gerne die unterschiedlichen Möglichkeiten aufzeigen, die die Verhinderungspflege bietet. Starten wir zunächst mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zur Kurzzeitpflege.
Exkurs: Was ist Kurzzeitpflege, was ist Verhinderungspflege?
Sowohl die Verhinderungspflege als auch die Kurzzeitpflege bieten Unterstützung, wenn das gewohnte Pflegesetting für einige Wochen im Jahr nicht verfügbar ist. Der Hauptunterschied liegt darin, dass bei der Kurzzeitpflege der Pflegebedürftige vorübergehend in einer stationären Pflegeeinrichtung untergebracht wird. Die Verhinderungspflege hingegen findet im häuslichen Umfeld statt und wird entweder von einem Pflegedienst oder von Angehörigen bzw. Ehrenamtlichen übernommen.
Kurzzeitpflege | Verhinderungspflege | |
---|---|---|
Setting | immer stationär | häusliche Umgebung |
Jährlicher Anspruch | 1.774 Euro (nur Pflegekosten) | 1.612 Euro (max. das 1,5-fache Pflegegeld) + nachgewiesene sonstige Kosten (Fahrt, Verdienstausfall, …) |
Eigenanteil? | Verpflegung, Unterbringung und Investitionsbeitrag in der EinrichtungTipp: Hierfür kann der Entlastungsbetrag von monatlich 125 Euro eingesetzt werden. | nicht festgelegt; grundsätzlich alles über dem jährlichen Höchstbetrag |
Pflege durch | stationäre Pflegekräfte | Pflegedienst, Angehörige oder Ehrenamtliche |
Pflegegrad? | auch ohne Pflegegrad bei plötzlicher Pflegebedürftigkeit nach Unfall oder Krankheit | Pflegegrad 2 – 5 |
Zeitraum | vorübergehend für bis zu 8 Wochen pro Jahr | vorübergehend für bis zu 6 Wochen pro Jahr |
Kombinierbar? | mit bis zu 100% (=1.612 Euro) der Verhinderungspflege | mit bis zu 806 Euro der Kurzzeitpflege |
Wartezeit? | keine | Bezugspflegeperson seit mind. 6 Monaten im Einsatz |
Pflegegeld | 50% des Pflegegeldes wird weiter bezahlt | bei stundenweiser Vertretung 100%, sonst 50% |
Hinweis: Für Pflegebedürftige unter 25 Jahre mit Pflegegrad 4 oder 5 gelten seit 01.01.2024 neue Richtlinien. Für alle weiteren Pflegebedürftigen werden sich ab 01.07.2025 ebenso deutliche Veränderungen ergeben. Im Wesentlichen beziehen sich die Änderungen auf ein künftig gemeinsames Jahresbudget für beide Pflegearten, sodass ein flexibler Einsatz der finanziellen Mittel erfolgen kann. Ebenso entfällt die sechsmonatige Vorpflegezeit bei der Verhinderungspflege und es erfolgt eine Angleichung der Bezugsdauer für beide Leistungen auf jeweils maximal 8 Wochen pro Kalenderjahr.
Was sind die Voraussetzungen, um Verhinderungspflege in Anspruch nehmen zu können?
Die Verhinderungspflege ist ein einfach zugängliches Angebot mit wenigen Voraussetzungen. Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein:
- Die Pflege findet regelmäßig im häuslichen Umfeld statt.
- Die Betreuung wird ganz oder teilweise durch eine benannte, nicht-professionelle Pflegeperson übernommen.
- Die Pflegeperson muss im Einstufungsbescheid genannt sein.
- Die pflegebedürftige Person erhält seit mindestens sechs Monaten häusliche Pflege.
- Zum Zeitpunkt der Antragstellung muss der Pflegegrad zwischen 2 und 5 liegen.
Hinweis: Es ist nicht erforderlich, dass der Pflegegrad 2 bereits seit sechs Monaten besteht. Entscheidend ist nur, dass die pflegebedürftige Person seit mindestens sechs Monaten zu Hause gepflegt wird.
Informationen darüber, welche Personengruppen die Verhinderungspflege übernehmen können, finden Sie hier.
Verhinderungspflege und Demenz
Die finanzielle Unterstützung für demente Personen und deren Angehörige wurde 2015 erhöht. Seit Anfang 2017 haben an Demenz erkrankte Personen gemäß SGB Anspruch auf Verhinderungspflege, die bei Bedarf auch stundenweise genutzt werden kann.
Mit der Pflegereform gab es umfassende Änderungen: Die bisherigen Pflegestufen wurden durch Pflegegrade ersetzt. Früher wurden Demenzkranke der Pflegestufe 0 zugeordnet und erhielten keine Leistungen von der Pflegekasse. Seit der Reform erhalten Menschen mit Demenz mindestens Pflegegrad 2 und haben somit Anspruch auf Pflegegeld. Zudem können Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege kombiniert werden, wenn das jährliche Budget noch nicht ausgeschöpft ist. Dadurch entstehen Demenzkranken keine Nachteile mehr, und sie sind pflegebedürftigen Personen mit körperlichen Einschränkungen gleichgestellt.
Welchen Anspruch hat eine pflegebedürftige Person für die Verhinderungspflege?
Eine wichtige Frage ist, wie hoch die finanzielle Unterstützung der Pflegekasse für die Verhinderungspflege ausfällt. Dabei gibt es zwei Hauptfälle:
- Professioneller Pflegedienst oder nicht nahestehende Person: Wenn die Verhinderungspflege durch einen professionellen Pflegedienst oder eine nicht nahestehende Person übernommen wird, gelten die unten beschriebenen Regelungen.
- Pflege durch Verwandte bis zum zweiten Grad: Wenn eine nahestehende Person (bis zum zweiten Verwandtschaftsgrad) die Pflege übernimmt, gelten andere Regelungen. Diese haben wir in einem separaten Artikel erläutert.
Generell besteht ein Anspruch auf Verhinderungspflege in Höhe von 1.612 Euro pro Kalenderjahr. Zusätzlich kann ein Betrag von bis zu 806 Euro aus dem Budget der Kurzzeitpflege für die Verhinderungspflege genutzt werden. Außerdem kann der monatliche Entlastungsbetrag von 125 Euro verwendet werden, um einen möglichen Eigenanteil zu reduzieren.
Verhinderungspflege und Pflegegeld
Wird Verhinderungspflege in Anspruch genommen, zahlt die Pflegekasse das Pflegegeld zur Hälfte weiter. Voller Anspruch auf das Pflegegeld besteht am ersten und letzten Tag der Verhinderungspflege.
Bei stundenweiser Verhinderungspflege (d.h. unter acht Stunden am Tag) wird ebenfalls das volle Pflegegeld ausbezahlt.
Für diese Leistungen können Sie Verhinderungspflege nutzen
Grundpflege:
- Unterstützung bei Körperpflege und Toilettengängen
- Sicherstellung der Ernährung
- Erlangung der Mobilität
Hauswirtschaftliche Versorgung:
- alltägliche Ordnungs- und Reinigungsarbeiten
- Kochen
- Wäsche waschen
- einkaufen
Nicht berücksichtigt werden Gartenarbeiten oder die Fensterreinigung, das Waschen von Gardinen oder andere Tätigkeiten, welche sich unter dem Begriff Großputz zusammenfassen lassen.
Kann man die Verhinderungspflege stundenweise nutzen?
Ja, die Verhinderungspflege kann stundenweise in Anspruch genommen werden. Oft ist die Pflegeperson nur für wenige Stunden verhindert, beispielsweise um Besorgungen zu machen oder sich eine kurze Auszeit zu gönnen. Wird die Ersatzpflege nur stundenweise benötigt, ergeben sich Vorteile bei der Abrechnung durch die Pflegekasse.
Vorteile der stundenweisen Verhinderungspflege
Die stundenweise Verhinderungspflege bietet Pflegepersonen mehrere Vorteile in Bezug auf die Anrechnung des Pflegegeldes und die zeitliche Begrenzung der Leistungen. Tage mit stundenweiser Verhinderungspflege werden nicht auf die maximale Bezugsdauer von 6 Wochen (42 Kalendertage) pro Jahr angerechnet. Zudem zahlt die Pflegekasse für diese Tage weiterhin das volle Pflegegeld. Wichtig ist, dass bei der Abrechnung diese Zeiträume als stundenweise Abwesenheit angegeben werden, um Nachteile zu vermeiden.
Beispiel für die stundenweise Verhinderungspflege
Beate Pohlmann pflegt ihren Vater, der Pflegegrad 3 hat, seit mehr als sechs Monaten im häuslichen Umfeld. An einem Tag möchte Beate Pohlmann eine Auszeit nehmen und verbringt zehn Stunden mit ihren Enkelkindern im Schwimmbad. Während dieser Zeit übernimmt eine Ersatzpflege für zwei Stunden die Betreuung ihres Vaters. Die Ersatzpflege schaut zweimal für jeweils eine Stunde bei dem Pflegebedürftigen vorbei.
Wird die Verhinderungspflege durch die Pflegekasse falsch als eine zehnstündige Abwesenheit berechnet, führt dies dazu, dass Beate Pohlmann das Pflegegeld gekürzt wird und der Zeitraum auf die 42 Kalendertage der maximalen Verhinderungspflege angerechnet wird. Richtig wäre jedoch, die stundenweise Verhinderungspflege für die zwei Stunden Ersatzpflege abzurechnen. Dadurch bleibt der Anspruch auf Pflegegeld in voller Höhe erhalten, und die maximal mögliche Verhinderungspflegezeit wird nicht beeinträchtigt.
Um keine Nachteile bei der Verhinderungspflege zu erfahren, sollten Pflegepersonen stundenweise Verhinderungspflege für bis zu maximal 7 Stunden und 59 Minuten in Anspruch nehmen. Auf diese Weise bleiben die Pflegeleistungen und der Anspruch auf das Pflegegeld vollständig bestehen, ohne dass die Verhinderungspflegezeit gekürzt wird.
Gibt es eine Begrenzung, wie oft Verhinderungspflege genutzt werden kann?
Es gibt keine festgelegte Begrenzung, wie oft die Verhinderungspflege genutzt werden darf. Wichtig ist jedoch die maximale Dauer von 6 Wochen bzw. 42 Tagen pro Kalenderjahr. Diese 42 Tage können flexibel aufgeteilt werden und müssen nicht am Stück genommen werden – theoretisch können es also auch 42 einzelne Tage sein.
Neben der ganztägigen Verhinderungspflege besteht die Möglichkeit, diese auch stundenweise in Anspruch zu nehmen. Hier gibt es keine Begrenzung hinsichtlich der Häufigkeit, solange die finanzielle Obergrenze von 2.418 Euro pro Kalenderjahr (1.612 Euro plus 806 Euro aus der Kurzzeitpflege) nicht überschritten wird.
Verhinderungspflege beantragen – was ist zu beachten?
Um Verhinderungspflege beantragen zu können, muss die pflegebedürftige Person mindestens sechs Monate lang zu Hause gepflegt worden sein. Außerdem muss die verhinderte Pflegeperson namentlich in den Unterlagen als Pflegeperson angegeben sein.
Ein häufiger Irrtum bei der Beantragung der Verhinderungspflege betrifft die Frage, ob der Antrag im Voraus gestellt werden muss. Einige Pflegekassen verlangen dies, obwohl es rechtlich nicht vorgeschrieben ist. Laut dem GKV-Spitzenverband, der Dachorganisation aller Pflegekassen, ist im Rundschreiben zu §39 SGB XI klargestellt:
“Anspruchsvoraussetzung ist nicht, dass die Leistung im Voraus beantragt wird.”
Diese Klarstellung soll die Regelungen aus dem SGB XI für den Alltag praktikabler machen. Es ist oft schwer vorherzusagen, wann genau im Jahr eine Pflegeperson ausfallen wird und welche Betreuung dann notwendig sein wird.
Wie können die Kosten für die Verhinderungspflege abgerechnet werden?
Die Art der Abrechnung hängt davon ab, wer die Verhinderungspflege übernommen hat:
- Professioneller Pflegedienst: Wenn die Verhinderungspflege durch einen professionellen Pflegedienst erfolgt, rechnet dieser in der Regel die Kosten direkt mit der Pflegekasse ab.
- Nicht-professionelle Pflegeperson:
- Wenn die Verhinderungspflege von einer nicht-professionellen Pflegeperson, z. B. einem Nachbarn oder entfernten Angehörigen, erbracht wird, muss der Pflegebedürftige die Kosten selbst mit dieser Person abrechnen. Anschließend können die nachgewiesenen Kosten bis zu einer Höhe von 1.612 Euro (plus bis zu 806 Euro aus der Kurzzeitpflege) für maximal 6 Wochen im Jahr bei der Pflegekasse eingereicht werden.
- Für Angehörige, die bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert sind, gelten spezielle Vorgehensweisen. Diese haben wir in einem getrennten Artikel beschrieben.
Wie weist man die Kosten nach?
Für den Nachweis der Kosten gibt es keine feste Formvorgabe. Es reicht, Quittungen oder Rechnungen vorzulegen, um die Verhinderungspflege nachzuweisen. Es ist sinnvoll, diese Nachweise chronologisch abzuheften oder aufzukleben, da dies den Abrechnungsprozess erleichtert und die Auszahlung beschleunigen kann.
Muss Verhinderungspflege versteuert werden?
Ob die Einnahmen aus der Verhinderungspflege versteuert werden müssen, hängt davon ab, wer die Pflege durchführt und wie hoch die Zahlungen sind.
Verhinderungspflege durch Angehörige
Wenn eine nahestehende Person (z. B. ein Angehöriger, Freund oder Nachbar) die Verhinderungspflege übernimmt, ist das erhaltene Geld in der Regel steuerfrei. Wichtig ist, dass die Steuerfreiheit nur gilt, wenn die Verhinderungspflege von jemandem übernommen wird, der eine “sittliche Pflicht” erfüllt – das bedeutet, wenn die Pflege von Angehörigen, Freunden oder nahestehenden Personen übernommen wird, die die Pflege nicht beruflich ausüben. In solchen Fällen bleibt das erhaltene Geld bis zur Höhe des Pflegegeldes steuerfrei. Dies betrifft z. B. Personen, die in ihrer Freizeit helfen und keine regelmäßigen Einkünfte aus der Pflege erzielen.
Wichtiger Hinweis zur Steuererklärung
Auch wenn die Verhinderungspflege steuerfrei bleibt, muss das erhaltene Geld in der Steuererklärung angegeben werden. Es empfiehlt sich dabei, einen Hinweis auf die “sittliche Pflicht” zu geben, um die Steuerfreiheit zu belegen.
Durch diese Klarstellung wird sichergestellt, dass alle Beteiligten die steuerlichen Anforderungen richtig verstehen und eventuelle Missverständnisse vermieden werden.
Fazit: Verhinderungspflege – Flexible Unterstützung für pflegende Angehörige
Die Verhinderungspflege bietet eine flexible Lösung, wenn pflegende Angehörige vorübergehend ausfallen oder eine Pause benötigen. Im Gegensatz zur Kurzzeitpflege, die stationär erfolgt, findet die Verhinderungspflege im häuslichen Umfeld statt und kann stundenweise oder ganztägig genutzt werden. Die Pflegekasse übernimmt bis zu 1.612 Euro jährlich, die mit 806 Euro aus dem Kurzzeitpflege-Budget ergänzt werden können. Dabei ist es wichtig, die Kosten korrekt nachzuweisen und sich über steuerliche Aspekte zu informieren. Die Verhinderungspflege ist ein unverzichtbares Angebot, um die häusliche Pflege flexibel zu gestalten und pflegende Angehörige zu entlasten.